Öffentliche Sitzung der Spruchkammer Mergentheim
Aktenzeichen: 33/32/909
Protokoll der öffentlichen Sitzung am 15. 6. 1948
Gegenwärtig:
1. Dr. Martha Schneider, Bad Mergentheim als Vorsitzender
2. Otto Sarember, Mergentheim, Paul Sachse, Mergentheim als Beisitzer
3. Helmut Schau als öffentlicher Kläger
4. K. Streng als Protokollführerin
Zur mündlichen Verhandlung in dem Verfahren gegen Karl Weber, Bürgermeister a. D., geb. 20. 3. 03, Niederstetten, am alten Berg 362
erschien bei Aufruf der Sache der Betroffene persönlich sowie sein Verteidiger R.A. Dr. Thierley, Crailsheim
Die vorgeladenen Zeugen wurden aufgerufen, mit dem Gegenstand des Verfahrens und der Person des Betroffenen bekannt gemacht, zur Wahrheitsangabe ermahnt und darauf hingewiesen, dass sie ihre Aussage auf Anordnung der Kammer zu beeiden haben. Hierbei wurden sie über die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer unter Eid unrichtig oder unvollständig erstatteten Aussage belehrt und darauf aufmerksam gemacht, dass der Eid sich auch auf die Beantwortung von Fragen über ihre Person und sonstiger Fragen bezieht, ferner, dass unbeeidigte Aussage die gleichen strafrechtlichen Folgen nach sich zieht.
Die Zeugen wurden sodann aus dem Sitzungssaal entlassen. Über die persönlichen Verhältnisse vernommen erklärte der Betroffene
[Einfügung: Der öffentl. Kläger beantragte, den nichterschienenen Zeugen Bürglen in eine Ordnungsstrafe von 500.– RM zu nehmen, da die Gründe für sein Fernbleiben nicht ausreichend sind.]
Der nicht erschienene Zeuge Bergdolt liess ein ärztl. Attest vorlegen. Bl. 44 d. A.
Personalbeschreibung umseitig.
Ich bin verheiratet und habe 3 Kinder im Alter von 17, 11 u. 9 Jahren. Der Einheitswert meines Hauses beträgt 11700.– RM. Auf meinem Sparkonto habe ich noch RM 44. – und auf dem laufenden Konto RM 91.–. Meine 3 Kinder haben zusammen 1582.– RM. Bis vor kurzer Zeit war ich als Hilfsarbeiter beschäftigt in meiner Heimatgemeinde. Nach meiner Entlassung als Bürgermeister erklärte ich mich auf Bitten bereit, weiter in der Gemeindeverwaltung tätig zu sein. Ich legte die zerstörten Akten neu an und hatte die Versorgung von 16 Gemeinden als Verwaltungsaktuar durchzuführen. Dies tat ich ohne Bezahlung. Mein wöchentlicher Verdienst einschl. Trennungsgeld beträgt ungefähr RM 60.–. Durch Volltreffer hatte ich einen Gebäudeschaden von 1500.– RM. Ich war nicht interniert.
Hierauf wurde die Klageschrift vom 17. 12. 1947 v. öffentlichen Kläger verlesen.
Der Betroffene wurde befragt, ob er etwas auf die Klage erwidern wolle.
Er erklärte: Ich erkläre mich schuldig bezüglich der formalen Belastungen, mit Ausnahme der einen Belastung, dass ich stellvertretender Ortsgruppen- und Organisationsleiter gewesen sei. Diese rührt daher, dass mich der damalige Ortsgruppenleiter manchmal mit seiner Vertretung bei Besprechungen, in denen der Ortsgruppenleiter und der Bürgermeister anwesend sein musste, beauftragt hat.
Ich vertrat die Ansicht, dass ein Bürgermeister seiner Gemeinde mehr dienen kann, wenn er nicht in der Partei ist. Ich lehnte es ab, beim Absingen der nationalsozialistischen Lieder aufzustehen. Dadurch wurde ich schwarz angesehen und gab dem örtlichen Druck nach, der Partei beizutreten. Ich nahm Rücksprache mit älteren Leuten der Gemeinde, die Nicht-Parteimitglieder waren. Diese vertraten die Ansicht, dass ich der Gemeinde mehr nützen könne, wenn ich bei der Partei wäre. Vorteile habe ich durch meine Parteimitgliedschaft nie gehabt. Meine Parteimitgliedschaft benutzte ich dazu, die großen Widersprüche zwischen Partei und Einwohnerschaft zu überbrücken und ich glaube sagen zu können, dass mir das gelungen ist. Auf Nicht-Pg. übte ich nie einen Druck aus, diese Leute wussten, dass sie zu mir kommen konnten. Mein NSV-Amt wurde mir seinerzeit vom Ortsgruppenleiter aufgezwungen. Er sagte, anstelle der öffentlichen Fürsorge trete nun die NSV, der Bürgermeister sei der Mann, welcher die Verhältnisse kennen würde. Ich habe das Amt übernommen und die Tätigkeit gerne ausgeübt.
Auf Vorhalt:
Es ist beschämend für mich, dass ich in meinem Personalbogen die Angaben machte, ich sei stellvertretender Ortsgruppenleiter und Organisationsleiter gewesen. Ich hätte das überhaupt nicht gebraucht.
Herr Bürglen war mein nächster Nachbar und wohnte außerhalb der Gemeinde. Er bekümmerte sich nie darum, was in der Gemeinde vorging. Er kann seine Angaben bestimmt nicht aus eigener Kenntnis gemacht haben. Wie ich feststellen konnte, handelt es sich um Angaben von Personen die sich selbst rein waschen wollen.
Ich bin 1929 nach Adelberg gekommen und habe bis 1933 keinen Umgang mit Bürglen gehabt. Ich weiß nicht, aus welchem Grund Bürglen schon 1929 den Umgang vermieden hat.
Bürglen behauptet, ich hätte Stähle dazu verholfen, Ortsgruppenleiter zu werden. In einer Ortsgruppenversammlung kamen Stähle und Breitling hintereinander. Stähle brauchte dabei die Worte: Es stimmt nicht mehr in der Ortsgruppe, man erfährt nicht mehr, was auf dem Rathaus geschieht. Breitling hat daraufhin den Saal verlassen und erklärte, Stähle könne machen, was er wolle, er habe kein Interesse mehr an der Angelegenheit. Ich erklärte Stähle, dass dieser Zustand nicht tragbar sei und schlug vor, zur Kreisleitung zu gehen. Wir gingen zusammen zur Kreisleitung und trugen den Fall vor. Der Kreisleiter rklärte, Breitling sei unmöglich als Ortsgruppenleiter. In einem Schreiben vom Landratsamt stehe, dass er seinen Wehrpass zweimal gefälscht hätte, er müsse als Ortsgruppenleiter verschwinden. Dies war der Grund, dass Breitling das Amt des Ortsgruppenleiters verloren hat.
Bedauerlich, dass Herr Huss nicht da ist. Es ist mir ganz unverständlich, dass er ein solches Urteil über mich abgeben konnte, nachdem ich ihn 1 1/2 Jahre unterstützt hatte und er mir erklärte, er könne unmöglich als Bürgermeister tätig sein, wenn ich ihn nicht unterstützen würde. In einer öffentlichen Versammlung erklärte Huss, dass ich nicht der Nazi sei, den man zu verurteilen habe.
Während meiner Amtszeit in Niederstetten sind keine Ausschreitungen gegen Juden vorgekommen. Im November 1938 habe ich zusammen mit dem Amtsdiener die Synagoge versiegelt und ein Plakat angeschlagen, dass die Synagoge Eigentum der Gemeinde sei.
Den auswärtigen jüdischen Kindern erteilte ich seinerzeit die Genehmigung, in Niederstetten zu wohnen, damit sie die dortige jüdische Schule besuchen konnten. In Niederstetten war noch die einzige Judenschule in ganz Württemberg. Dieses Vorgehen von mir war der Gauleitung bekannt und ich bekam auch ein Schreiben, dass ich als Bürgermeister aus meinem Amt kommen würde.
Als im Jahre 1938 die Jüdin Selling ihr Haus verkaufen musste, kam sie zu mir und bat mich, ich solle ihr in Niederstetten eine Unterkunft zuweisen. Ich habe Frau Selling trotz Einspruch der Kreisleitung aufgenommen.
Beim Abtransport der Juden habe ich trotz Anordnung das Gepäck der Juden nicht untersucht und auch nicht nachgewogen. Ich beauftragte die Firma Dill, jegliches Gerät, das die Juden benötigen, an diese abzugeben. Ich erteilte den Juden auch die Genehmigung, Gemeinschaftsgeräte wie Herde, Öfen u. dergl. mitzunehmen. Der Jude Braun kam zu mir und bedankte sich, dass ich mich stets menschlich den Juden gegenüber verhalten hätte. Ich hatte keine Veranlassung, freundlich zu den Juden zu sein, ich habe das aus rein menschlichen Gefühlen getan. Frau Baumann habe ich stets anständig behandelt. Ich habe ihr keine Fliegergeschädigten zugewiesen. Als ihr Mann ins KZ kommen sollte, bekam ich einen Brief von der Gestapo, dass am Montag vormittag am Bahnhof in Bietigheim zu melden habe, wegen der Verbringung in ein Arbeitslager. Baumann war der einzige Baufachmann und musste unbedingt gehalten werden. Ich habe den Erlass in meiner Tasche stecken lassen. Am Dienstagvormittag kam vom Landratsamt ein Anruf, wo der Mann geblieben sei. Ich sagte zu Landrat Wanner, ich hätte das absichtlich getan. Der Landrat schlug mir vor, ich solle mich wegen Arbeitsüberhäufung entschuldigen und die Sache wieder einrenken.
Als 1944 abgestürzte amerikanische Flieger auf das Rathaus gebracht wurden, rief ich sofort Dr. Heller, er möchte ärztliche Hilfe leisten. Ich selbst ging ins Gasthaus, um für die Amerikaner Essen zu holen, obwohl die Leute, die auf der Straße standen, anderer Ansicht waren als ich.
Anfeindungen bekam ich immer, weil ich Nichtparteigenossen einstellte. Der Kirche stand ich jederzeit so gegenüber, wie ich es verantworten konnte. Ich habe der ev. Kirche trotz Verbot ein Lokal in der Schule genehmigt.
Die ausländischen Arbeiter habe ich immer gut behandelt und die Gefangenen immer anständig untergebracht.
Einer Familie, die bei Kriegsausbruch aus England zu Besuch in Niederstetten war und nicht mehr zurück konnte und die in ein Internierungslager verbracht werden sollte, verschaffte ich Aufenthaltsgenehmigung bis 1945.
Persönlich habe ich wenig nach den Anordnungen der Partei gefragt.
Meine Ernennung zum Bürgermeister von Niederstetten:
Nach Adelberg kam eine Kommission von Niederstetten und erkundigte sich bei verschiedenen Einwohnern über mich. Beim Ortsgruppenleiter oder auf der Kreisleitung war niemand. 8 Tage später wurde ich nach Niederstetten vorgeladen. Der Gemeinderat von Niederstetten wollte einen Bürgermeister, der schon Praxis hinter sich hat. Es waren 8 Gemeinderäte da und man erklärte mir, ich solle am gleichen Tag schon den Sitz des Bürgermeisters einnehmen, ich würde doch Bürgermeister werden. Es wurde kein Wort von Politik gesprochen. Nur einmal verlangte der Ortsgruppenleiter von mir, ich solle mich beim Kreisleiter vorstellen. Ein Gemeinderat erklärte daraufhin, das sei nicht notwendig, der Gemeinderat ernennt den Bürgermeister. Bei meiner Vorstellung war der Kreisleiter nicht da, ich kannte ihn nicht.
Ich gebe zu, dass ich den Brief an Färber geschrieben habe. Ich tat dies nach der 1. Gemeinderatssitzung in Niederstetten, als ich Färber und die ganzen Verhältnisse noch nicht kannte. Der Ortsgruppenleiter verlangte, dass Färber seitens der Gemeinde keinen Auftrag mehr bekäme, da er nicht in der NSV sei. Färber ist nicht zur NSV und hat trotzdem den Auftrag bekommen. Färber hat auch sonst noch Aufträge erhalten. Ich persönlich habe Färber nach diesem Vorfall einen Auftrag übertragen. Ich gebe zu, diesen Brief geschrieben zu haben, um meine Ruhe zu haben. Der Ortsgruppenleiter wollte nach außen hin den Eindruck erwecken, als ob er etwas zu sagen habe. Er wollte nachher nichts mehr von der Angelegenheit.
Färber erklärte mir, er gehe zur NSV, wenn seine Mutter gestorben sei. Er müsse diese unterstützen.
Der Fall Nörr:
Nörr selbst möchte ich nicht näher schildern. Ich habe als Bürgermeister während des Krieges hunderte und tausende von uk-Stellungsgesuchen gemacht und von vielen Bürgermeistern am meisten herausgeschlagen. Ich hatte keinen Grund, gerade bei Nörr eine Ausnahme zu machen. Sein Sohn war immer noch uk-gestellt, als andere Leute, die gleichaltrig wie dieser waren, schon längst eingezogen waren. Als Nörr eingezogen wurde, konnten wir nichts mehr dagegen machen. Nörr gibt an, ich habe die Fläche seines Besitzes verkehrt angegeben, das ist nicht wahr, das hat er selbst getan. Es war mir nicht möglich, hier eine Fälschung vorzunehmen.
Ich habe bei manchem, dessen Betrieb etwas zu klein war, einen anderen Betrieb dazu geschrieben. Der Ortsbauernführer Melber erklärte mir, es kommt der Tag, wo man Sie wegen dieser Angelegenheit einsperrt. Nörr hatte einen Franzosen, den ihm der Ortsgruppenleiter wegnahm und einem anderen Betrieb zuteilte. Ich erklärte dem Ortsgruppenleiter, dass das nicht ginge und habe Nörr den Gefangenen wieder zugeteilt. Tapella hatte erklärt: Wir haben nun Gelegenheit, diese Bude zuzumachen. Ich setzte es durch, dass die Wirtschaft von Nörr den ganzen Krieg über offen geblieben ist. Ich habe nicht aus politischen Gründen die Arbeitsfähigkeit von Nörr beurteilt.
1937 oder 1938 kam von Nörr ein Antrag auf Wiedereröffnung seiner Brennerei, die geschlossen war. Bei diesem Gesuch ging es um die Frage, ob Nörr vertrauenswürdig sei oder nicht. Wir haben diese Frage bei einer Besprechung verneint. Nörr wird allgemein als nicht besonders wahrheitsliebend genannt. Er wird als Lügenbeutel bezeichnet.
Als ich seinerzeit die Schränke von den Juden kaufte, brauchte ich dringend welche zur Unterbringung von Akten. Der Schreiner hat mir keinen Schrank geliefert. Ich veranlasste, dass der Neuwert der Schränke bei der Herstellerfirma festgestellt wird, und ich bezahlte dann den höchsten Preis, 70% dieser Summe. Die Quittungen darüber befanden sich auf dem Rathaus und wurden vernichtet.
Wenn Frau Baumann angibt, ich hätte Judenhäuser geplündert, so ist das eine Verleumdung, die nicht bewiesen werden kann. Ich gab die Schlüssel für die jüdischen Häuser dem Amtsdiener Stapf zur Aufbewahrung mit der Anweisung, dass niemand ohne Zeugen diese Häuser betreten dürfe.
Mein Haus habe ich gekauft, nachdem keine Bewerber dafür da waren. Als ich 7- 8000.– RM hineingesteckt hatte, waren Bewerber da.
Ich bin 30 Jahre in meinem Amt tätig gewesen und versuchte dies stets ehrlich und redlich zu führen. Ich stehe heute das erste Mal als Betroffener und bitte mit Rücksicht darauf, dass ich 5/4 Jahre wertvolle Arbeit umsonst geleistet habe, um ein gerechtes Urteil.
Es wurde nunmehr in die Beweisaufnahme eingetreten.
1. Zeuge: Reinhold Daiber, Adelberg, erklärte zur Person: Ich bin 40 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Ich glaube, dass Weber durch seine Tätigkeit als Bürgermeister mehr oder weniger veranlasst wurde, zur Partei zu gehen. War ich selbst war nicht in der Partei und bin deshalb von Weber nicht schief angeschaut und auch nicht benachteiligt worden. Mein Vater war stellvertretender Bürgermeister und als einziger Gemeinderat nicht Parteimitglied. Mein Vater hat selbst altershalber um seinen Rücktritt nachgesucht. Daraufhin kam Weber 4-5mal in das Haus meines Vaters und bat diesen, er möchte doch bleiben, damit er noch einen alten Mann haben würde, der das Vertrauen der Gemeinde besitzen würde. Weber wollte auf meinen Vater nicht verzichten, obwohl er nicht in der Partei war. Mir ist nichts bekannt, dass der Betroffene für die NSV geworden hat. Ich selbst bin 1937 in die Partei eingetreten.
Auf Frage:
Ich habe das Empfinden, dass Weber von Adelberg weggegangen ist, weil ihm der Ortsgruppenleiter seine Pläne durchkreuzt hat. Als Außenstehender möchte ich sagen, dass zwischen Weber und Stähle kein gutes Verhältnis bestanden hat. Ich glaube, dass Stähle von sich aus das Bedürfnis hatte, an die Spitze zu kommen. Mein Vater wurde nie aufgefordert, dass er zur Partei gehen soll. Ich arbeite mit Bürglen gut zusammen. in der Partei war dieser nicht. Man kann schon sagen, dass er zu den Gegnern des Nationalsozialismus gehört hat. Er hat sich ganz abseits gehalten, seine Frau war eine Belgierin.
2. Zeuge: Hermann Herb, Adelberg, erklärte zur Person: Ich bin 41 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Ich war Mitglied der NSDAP und bin Anfang dieses Jahres als Mitläufer entnazifiziert. Außerdem war ich Ortsgruppenkassenleiter. Ich war ein Jahr interniert.
Mir ist weniger bekannt, dass der Betroffene in der Angelegenheit Breitling-Stähle gesteckt hat. In Adelberg wurde ein neuer Gemeindepfleger gewählt. Nun wurde Weber der Vorwurf gemacht, warum er die Partei nicht gefragt hat und einen Mann genommen, der nicht in der Partei war. Der Ortsgruppenleiter regte sich darüber auf und sagte: Gut, dann sucht ihr euch einen anderen Ortsgruppenleiter. Nachher stellte sich heraus, dass Breitling in seinen Wehrpass falsche Eintragungen gemacht hatte, er habe das EK verliehen bekommen, was gar nicht der Fall war. Das war der eigentliche Grund, warum Breitling als Ortsgruppenleiter zurückgetreten ist.
Von Adelberg ist der Betroffene weg, um seine Stellung zu verbessern und wie er sich selbst äußerte, weil ihm der Ortsgruppenleiter in Dingen auf dem Rathaus reinredet, die die Ortsgruppe weniger angehen.
Durch seine Tätigkeit in der NSV hatte der Betroffene die Übersicht über das Sammelwesen und was damit zusammenhängt. Diese Tätigkeit wurde nicht mit besonderer Energie durchgeführt.
Mir ist nichts bekannt, dass der Betroffene stellvertretender Ortsgruppenleiter gewesen ist. Der Betroffene und ich sind im gleichen Jahr in die Partei eingetreten. Bei einer Werbeversammlung erklärte ich im April 1933 meinen Beitritt.
Jeder muss bestätigen, dass der Betroffene zum Wohl der Gemeinde gearbeitet hat.
3. Zeuge: Willi Färber, Niederstetten, erklärte zur Person: Ich bin 51 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Ich war nicht in der Partei. Ich habe diesen Brief vom Betroffenen bekommen. Es handelte sich um Vergebung eines Auftrags über eine Pumpe. Ich bin der NSV nicht beigetreten. Die Pumpe habe ich trotzdem geliefert. Als ich den Brief von dem Betroffenen bekam, dachte ich an die Worte von Goebbels: Wir zwingen niemand, zu uns zu kommen, aber wir werden diejenigen, die nicht zu uns kommen, vernichtend treffen. Von dem Betroffenen wurde ich nie mehr aufgefordert, in die NSV zu gehen, von ihm bekam ich nur den einen Brief. Die kleineren Arbeiten für die Stadt Niederstetten bekam ich nicht mehr übertragen, nur die größeren Aufträge. Wer nicht in der Partei war, konnte nicht so zum Zuge kommen. Einen Rückgang der Aufträge konnte ich vor und nach der Amtszeit des Betroffenen feststellen. Es lag dortmals im System der Zeit. Persönliche Aufträge habe ich von dem Betroffenen bekommen.
Betroffener:
Die Vergebung der Arbeiten erfolgte nach einem gewissen Turnus. Färber hat ständig die Arbeiten für die Dampfheizung im Rathaus und in der Schule durchgeführt.
Zeuge:
Jawohl. Für einen schlimmen Nazi habe ich den Betroffenen nicht gehalten.
4. Zeuge: Eugen Nörr, Niederstetten, erklärte zur Person: Ich bin 73 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Mein Sohn war in Frankreich bei der Wehrmacht. Er schrieb, ich soll ein Zeugnis einreichen, damit er entlassen wird. Viele Kameraden würden Zeugnisse einreichen und würden entlassen werden. Das war vor 8 Jahren. Ich ließ mir ein Zeugnis ausstellen und gab es meiner Frau, sie soll damit zu Weber gehen und sich einen Stempel darauf machen lassen. Sie soll aber darauf warten und das Zeugnis wieder mitbringen, Weber würde es doch nicht fortschicken. Weber sagte, er würde das Zeugnis fortschicken, Ortsbauernführer Melber müsse auch noch unterschreiben. Mein Sohn schrieb, das Zeugnis sei angekommen. Einer von der Schreibstube sagte, das Zeugnis lautete auf 50%ige Arbeitsunfähigkeit. Ich hatte mir ein Zeugnis über 100%ige Arbeitsunfähigkeit ausstellen lassen.
Ich war 2 oder 3mal bei Weber, er möchte ein Urlaubsgesuch für meinen Sohn einreichen. Weber sagte, der Urlaub sei gesperrt. Ich schrieb dies meinem Sohn.. Dieser schrieb mir, das sei verlogen. Weber hat nichts geschrieben, weil er wusste, dass ich kein guter Nazi war. Als ich Antrag auf Genehmigung meiner Brennerei stellte, hat Weber geschrieben, man könne mir kein Zutrauen schenken. Ich weiß nicht, warum er das geschrieben hat.
Auf Frage:
Ich weiß, dass mich der Arzt 100%ig arbeitsunfähig geschrieben hat. Ich weiß nicht, wer das Zeugnis auf 50% arbeitsunfähig abgeändert hat.
Betroffener:
Wenn Nörr damals zu mir gekommen wäre, hätte ich mich an die Einheit gewandt.
5. Zeuge: Karl Melber, Niederstetten, erklärte zur Person: Ich bin 51 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Ich war Ortsbauernführer von 1935 ab bis zum Schluss. Das Urlaubsgesuch für Nörr war mit aller Vordringlichkeit begründet, da in seinem Betrieb der Betriebsführer fehlte. Wieviel % die Erwerbsunfähigkeit des Zeugen Nörr betragen hat, weiß ich nicht mehr. Ich glaube kaum, dass die Gesuche bezüglich der Betriebsgröße vom Bürgermeister abgeändert wurden. Die ärztlichen Gutachten über Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit wurden immer an die Gesuche angeheftet und sind vom Bürgermeisteramt mit an das WBK gegangen.
Bei uk-Stellungen hat der Betroffene nicht nach der Parteizugehörigkeit gefragt. Die Dringlichkeit für den Betrieb war maßgebend. Parteipolitik wurde auf dem Rathaus bezüglich der Vergebung von Arbeiten nicht getrieben.
6. Zeuge: Friedrich Mäder, Herrenzimmern, erklärte zur Person: Ich bin 56 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Ich war nicht in der Partei.
In Herrenzimmern war 1943 der Gemeindepfleger gestorben. Als neuer Gemeindepfleger meldete sich ein Nicht-Pg. Da kam der politische Leiter Pflüger und sagte, das kommt nicht in Frage, dass ein Nicht-Pg. Gemeindepfleger wird, er meldet sich als solcher. Mit diesem hatte ich öfter Differenzen auch persönlicher Art. Ich sagte dies Weber. Dieser sagte mir, ich solle mir nichts gefallen lassen, ich sei Bürgermeister. Weber und ich waren dafür, dass ein anderer Gemeindepfleger würde.
7. Zeuge: Otto Ossiander [recte: Osiander] erklärte zur Person: ich bin 48 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Ich war Mitglied der Kommission, die wegen der Bürgermeisterwahl in Adelberg war. Die Stelle des Bürgermeisters von Niederstetten war im Staatsanzeiger ausgeschrieben. Es haben sich verschiedene Leute beworben. Einige sind gekommen und haben persönlich vorgesprochen. In Adelberg bekamen wir von der Bevölkerung recht gute Auskünfte über den Betroffenen. Wegen Parteisachen haben wir uns nicht erkundigt. Wir waren weder bei der Kreisleitung noch bei der Ortsgruppe. Weber selbst haben wir auch nicht gesprochen.
Bürgermeister Weber war in seinen Handlungen selbständig. Er hat sich vom Ortsgruppenleiter nicht beeinflussen lassen. Der Ortsgruppenleiter war auch im Gemeinderat. Bei Besprechungen hat er immer gefehlt. Hinterher bemängelte er schriftlich die gefassten Beschlüsse. Es wurde immer nach den Gesichtspunkten der Gemeinde gehandelt. Das Einvernehmen zwischen der Ortsgruppe und dem Bürgermeister war nicht besonders günstig.
Bei Verteilung von Aufträgen wurde kein Unterschied gemacht. Das handwerkliche Können war dabei maßgebend.
Im Gemeinderat war ein sehr gutes Einvernehmen. Der Betroffene hat das Führerprinzip nicht vertreten.
Der Vert. verlas Bl. 56, 57, 58, 63, 71, 73, 77, 78, 79, 86 u. 53 d. A.
Betr.:
Wenn ich mich erinnern kann, habe ich damals für die ehemals Juden gehörenden Schränke 145.– bis 150.– RM bezahlt.
Der im Saal anwesende Georg Linder wurde als Zeuge aufgerufen.
8. Zeuge: Georg Linder, Niederstetten, erklärte zur Person: Ich bin 52 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Ich war Stadtpfleger und Gemeinderat in Niederstetten. Von den von Bürgermeister Weber gekauften Schränken kam einer auf das Rathaus.. Dieser Schrank wurde von der Stadtpflege mit RM 200.– bezahlt. Weber hat seinerzeit angefragt, was die Schränke neu gekostet haben. Auf Grund dieser Anfrage musste ich 200.– RM an das Finanzamt überweisen.
Beschlossen und verkündet:
Der nicht erschienene Zeuge Bürglen wird in einer Ordnungsstrafe von 250.– RM – ersatzweise drei Tagen Haft – genommen.
Nach der Vernehmung eines jeden Zeugen sowie nach der Verlesung eines jeden Schriftstücks wurde der Betroffene gefragt, ob erklären habe.
Der öffentliche Kläger und sodann der Betroffene und der Rechtsbeistand erhielten zu den Ausführungen das Wort.
Der öffentliche Kläger beantragte
Einreihung des Betroffenen in die Gruppe der Mitläufer sowie eine Sühne von 1000.– RM.
Der Rechtsbeistand beantragte
Einreihung des Betroffenen in die Gruppe der Mitläufer. Die Festsetzung der Sühne wird dem Ermessen der Kammer überlassen.
Dem Betroffenen wurde Gelegenheit gegeben, sich als Letzter zu äußern.

 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.