Hermann Braun, 507 W. 186th. St., New York 33, N.Y.
New York, 18. Januar 1953.
A.-Z.: ES/A 11312 – W Kr/Schm.
Landesamt für Wiedergutmachung Stuttgart.
Ich danke für Ihre Nachricht vom 8. Nov. 1952. Ihrem Wunsche entsprechend und da ich selbst keine Unterlagen mehr habe, wandte ich mich an mein früheres Finanzamt in Bad Mergentheim. Die Antwort ersehen Sie aus beiliegendem Brief. Meine hiesigen Einkünfte ersehen Sie aus beiliegendem Schreiben des U. S Treasury Dept. New York, soweit solche feststellbar waren. Die missenden Einkünfte habe ich nach bestem Wissen selbst angegeben. Zur Erklärung möchte ich angeben, dass ein Ehepaar erst von 1000.– Dollars an Steuern zu zahlen hat. Unsere ersten Jahre in Amerika waren entsagungsvoll und wir waren auf die Hilfe von Verwandten und Freunden angewiesen. Schwere Arbeiten konnte und durfte ich nicht verrichten, da durch das Pogrom am 25. März 1933 mein Nervensystem vollständig zerrüttet wurde und noch ist. Ich habe in Niederstetten vom Jahre 1919-1939 eine Fellhandlung betrieben, meist Grosshandel. Ich habe die Felle bei Sammlern aufgekauft, sortiert und an Fabrikanten oder Spezialisten weiterverkauft. Fellhandel war mein erlernter Beruf und war ich hierin von meinem 14ten Jahre an tätig. Ich habe anständig verdient, habe mir ein Haus kaufen können und meine Frau konnte ein Dienstmädchen 18 Jahre lang halten. Ohne Hitler wäre ich heute in einer finanziellen Lage, die mir einen sicheren Lebensabend gewährt hätte. So bin ich Angestellter, der jeden Tag seine Stelle verlieren kann und vor dem Nichts steht. In meinem Alter ist kaum eine neue Stelle zu bekommen. Der Schaden, der mir durch die Nazis zugefügt wurde, da ja kein Jude mehr ein Geschäft halten konnte, ist nicht nur DM 10 000 wie angegeben, sondern mindestens D.M. 30. 000.–. Ich habe angenommen, dass man auch in Stuttgart davon weiß, wie uns Juden jede Verdienstmöglichkeit genommen wurde. Meine Bankverbindung war die Landwirtschafts & Gewerbebank Gerabronn, Filiale Niederstetten. Außerdem habe ich in Stuttgart ein Postscheckkonto unterhalten. Ich war 4 Jahre im Felde und war Gefreite. Ich habe dem Reichsverband Deutscher Häute & Fellhändler "Hufa", Sitz Berlin, angehört.

(Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 350 I, Bü. 26947, Braun, Hermann)