Gemeinde: Niederstetten     Kreis: Mergentheim

1. Welches war die Höchstzahl der jemals in der Gemeinde ansässigen Juden? 217 lt. Oberamtsbeschreibung des Oberamts Gerabronn von 1847.

2. Wann wurde diese Höchstzahl erreicht? 1847

3. Von wo sind die Juden in die Gemeinde zugezogen? Soweit nicht schon von Geburt hier ansässig von Hollenbach u. Hohebach Kr. Künzelsau

4. Spielten die Juden im öffentlichen Leben der Gemeinde vor 1933 eine Rolle (als Gemeinderat, Bürgermeister, Gemeindebedienstete, Mitglieder politischer Parteien, Mitglieder von Vereinen usw.)? Ja: Als Gemeinderäte, Mitglieder Demokratischer Parteien u. im Sport- Gesang- u. Gewerbeverein.

5. Unterhielten die jüdischen Mitbürger der Gemeinde
a) eigene Schulen (welche)? Ja: Jüdische Volksschule.
b) Vereine (welche)? Nein
c) eine Synagoge? Ja
d) ein Bethaus? Nein
e) ein rituelles Bad? Ja
f) ein Altersheim? Nein
g) ein Krankenhaus? Nein
h) ein Armenhaus? Nein
i) ein Waisenhaus? Nein
k) sonstige Wohltätigkeitsanstalten (welche)? Nein

6. Sind Stiftungen von Juden zu allgemeinen karitativen Zwecken, zur Förderung von Kunst und Wissenschaft bekannt? Nein.

7. Gab es in der Gemeinde
a) ein jüdisches Schlachthaus? Nein
b) eine koschere Metzgerei? Ja. 3 Metzgereien
c) eine rituelle Bäckerei (Mazzoth-Bäckerei)? Nein
d) eine rituelle Gastwirtschaft? Ja.

8. Welche jüdischen Namen waren in der Gemeinde häufiger vertreten? Braun u. Stern

9. Sind sonstige interessante Vorgänge aus der jüdischen aus dem jüdischen Gemeindeleben bekannt? Nein

10. Waren in der Gemeinde ansässig
a) Rabbiner? Nein
b) jüdische Kantoren? Nein
c) jüdische Religionslehrer? Ja.

11. Sind die Namen dieser Persönlichkeiten bekannt? Ja, Bernheim, Adler, Oberndörfer u. Schloss.

12. Lebten in der Gemeinde jüdische Bürger, die als Ärzte, Juristen, Künstler, Politiker, Unternehmer usw. ein besonderes Ansehen genossen? Ja. Ärzte: Dr. Luchs und Dr. Spatz. Unternehmer: die 4 Fellhändler Braun.

13. Welche Industrieunternehmen, Handwerksbetriebe, Hotels, Gaststätten, Banken, Kaufhäuser, Geschäfte usw. waren 1933 ganz oder teilweise in jüdischer Hand? 4 Fellhandlungen, 2 Weinhandlungen, 4 Viehhandlungen, 6 Textilgeschäfte, 3 jüdische Metzgereien u. 1 jüdische Wirtschaft.

14. Wann wurden diese enteignet? Nach den Deportationen November 1940 und Juni 1941.

15. Wie stellte sich die Bevölkerung dazu? Laut Bürgermeisteramt ergab sich aus der Bevölkerung keine Stellung dazu.

16. Wie war das Verhältnis der Juden zur übrigen Bevölkerung vor 1933? Im Allgemeinen friedlich und freundschaftlich.

17. Wie wirkte sich die NS-Propaganda auf das Zusammenleben zwischen jüdischen und christlichen Bürgern aus? zersetzend.

18. Wohnten in der Gemeinde jüdische Bürger mit polnischer und tschechischer Staatsangehörigkeit und wann wurden diese abgeschoben? Nein.

19. Von wann an kam es zu nationalsozialistischen Übergriffen und Gewalttaten gegen Juden? (Erwähnt sollten auch Ausschreitungen vor dem 30. 1. 1933 werden)? Vor 1933 nicht. Der erste Übergriff war am 25. März 1933. Hierbei wurden die meisten männlichen Juden von einem Kommando SA-Leuten unter Führung eines Herrn Sommer und Herrn Klein, beide aus Heilbronn auf dem Rathaus körperlich mißhandelt.

20. Welcher Art waren die Übergriffe? Körperliche Mißhandlung

21. Wurde der organisierte Boykott am 1. April 1933 durchgeführt und welche Formationen nahmen hieran teil? Nein.

22. Wurden jüdische Bürger in der Zeit von 1933 - 1938 in ein Konzentrationslager eingeliefert? Ja. Laut Bürgermeisteramt kam kurze Zeit im Jahre 1938 der Viehhändler Leopold Schloßberger in ein Konzentrationslager.

23. Kam es im Anschluß an die Kristallnacht von 1938 zu Ausschreitungen gegen Juden? Nein.

24. Beteiligte sich an Gewaltakten außer Nationalsozialisten auch die übrige Bevölkerung? Nein

25. Wieviel jüdische Bürger wurden nach der Kristallnacht in die Konzentrationslager eingeliefert? Keine.
Ihre Namen:

26. Wann wurden diese wieder entlassen? Entfällt

27. Wurden jüdische Bürger im Anschluß an die Kristallnacht in Krankenhäuser eingewiesen? Sind dort noch Krankenakten vorhanden? Nein

28. Wurde der Boykott jüdischer Geschäfte allgemein befolgt? Nein

29. Wurde gegen Bürger eingeschritten, die bei Juden kauften, jüdische Mitbürger in Schutz nahmen und gegen Willkürakte protestierten (Prozesse, Bestrafungen)? Nein

30. Wurden nach dem Krieg gegen Nationalsozialisten Prozesse geführt, die sich an Juden vergangen, jüdisches Eigentum beschädigt oder vernichtet hatten? Nein

31. Wurde die Synagoge des Orts im November 1938 zerstört? Nein

32. Wer waren die Täter? Entfällt

33. Wie gestalteten sich die Arbeits- und Lebensverhältnisse der jüdischen Mitbürger nach 1933, besonders aber nach 1938? Nach 1933 betätigten sich die männlichen jüdischen Mitbürger, soweit es ihnen noch möglich war mit ihrer bisherigen Tätigkeit oder bei Arbeiten in der Gemeinde (Wegbauten etc.) oder bei christl. Mitbürgern. Überwiegend lebten sie von ihren Ersparnissen, nachdem das Einkommen immer geringer wurde. Laut Bürgermeisteramt nach 1938 durch gegenseitige Unterstützung.

34. Welche Einwohner der Gemeinde standen mit Juden im geschäftlicher Verbindung? Fast alle

35. Welche Einwohner waren bei Juden beschäftigt? Welche von ihnen leben noch? Tagelöhner bei Fell- Vieh- u. Weinhändlern sowie als Hausangestellte.
Marie Dinkel, led. Rentnerin, Frickentalstr. 6.
Martin Zugenbühler, Rentner, Erbsengasse.
Charlotte Brumm, Dienstmädchen Röhrenbrunnengasse
Frau Albert Rummler, Landratsehefrau Bahnhofstraße.

36. Wie lange durften nicht Juden in Haushalten und Betrieben von Juden arbeiten? Ohne Beschränkung.

37. Wie lange durften jüdische Kinder öffentliche Schulen besuchen? Entfällt, da eigene Schule.

38. Wie wurden jüdische Kinder von ihren Mitschülern behandelt? Entfällt.

39. Wurden in der Gemeinde zu Anfang des Krieges die Juden in besondere Judenhäuser umquartiert bzw. zusammengelegt? Lt. Bürgermeisteramt nein. Einzelne Familien gingen freiwillig zusammen.

40. Wann wurden die Juden, die nicht ausgewandert waren, deportiert? Nov. 1940 u. Juni 1941.

41. Wie gingen die Deportationen vor sich? Laut Bürgermeisteramt: Unter Aufsicht der Polizei (Josef Bergdold noch ihr wohnhaft) wurden die auf einer von Stuttgart gekommenen Liste verzeichneten Personen nach vorheriger Ladung durch den jüdischen Gemeindevorsteher bestellt auf den vorgeschriebenen Eisenbahnzug.

42. Wohnten in der Gemeinde Juden in sogenannten Mischehen und wie wurden diese verfolgt? Hier war nur 1 Mischehe des Baumeisters Otto Baumann mit Mina geb. Kirchheimer – siehe besond. Fragebogen –.

43. Wurde der jüdische Besitz nach den Deportationen versteigert (Anhaltspunkte lassen sich vielleicht auch aus dem Protokollen des Bürgermeisteramts, den amtlichen Bekanntmachungen gewinnen)? Ja! Durch das Finanzamt Mergentheim, da das Rathaus am 9. 4. 1945 total zerstört wurde mit sämtlichen Akten u. der Registratur, so sind keinerlei Protokolle oder Bekanntmachungen mehr vorhanden.

44. Welche Zeitungen und Parteiorgane wurden 1933 - 1945 in der Gemeinde gelesen? NS-Kurier Stuttgart u. Stürmer Nürnberg Tauberzeitung Mergentheim Franke Gerabronn

45. Wurde in diesen Zeitungen eine systematische Judenhetze betrieben? ja
Stürmer ganz u. NS-Kurier teilweise
Die beiden anderen Zeitungen nicht.

46. Sind die amtlichen Bekanntmachungen des Bürgermeisteramts 1933 - 1945 erhalten? Nein! Sie sind durch Kriegseinwirkung (totale Zerstörung des Rathauses) vernichtet.

47. Hat die Gemeinderegistratur aus der Zeit des Dritten Reiches den Krieg überstanden? Nein! Lt. Bürgermeisteramt.

48. Besteht heute noch eine Synagoge? Dient sie wieder dem jüdischen Gottesdienst oder ist sie zweckentfremdet (heutiger Inhaber)? Nein! Die Synagoge wurde durch Kriegseinwirkung total zerstört. Das Ruinengrundstück erwarb der Nachbar Schreinermeister Weigel durch IRSO Stuttgart.

49. Wird noch ein jüdischer Friedhof unterhalten? Von wem? Ja! Von der Stadtgemeinde.

50. Gibt es darüberhinaus weitere Zeugnisse (Inschriften, Denkmale u. ä.) vom Leben jüdischer Einwohner? Nein.

51. Welche Bürger sind mit den Verhältnissen der Gemeinde während des Dritten Reiches besonders gut vertraut und können Aussagen über Schicksale der einzelnen Juden machen (Detaillierte Schilderungen besonders von früheren Nachbarn erwünscht)? Diese Namen sind auf der letzten Seite der einzelnen Fragebogen der jüdischen Familien aufgeführt.

52. Unterhalten Einwohner der Gemeinde noch einen Briefwechsel mit ehemaligen jüdischen Mitbürgern? Ja! Marie Dinkel, led. Rentnerin hier, Frickentalstr. 6

53. Haben frühere jüdische Mitbürger die Gemeinde nach dem Krieg besucht? Ja.

54. Sind Adressen von früheren jüdischen Mitbürgern der Gemeinde bekannt? Ja! Diese sind, soweit sie bekannt waren, in den Fragebogen der einzelnen Familien enthalten.

55. Ist irgendwelches Dokumentationsmaterial über die Schicksale der Juden (z. B. Briefe, persönliche Erinnerungen) noch in Privatbesitz erhalten? Ja! Marie Dinkel, led. Rentnerin, hier, die von 1920 bis zum Wegzug bezw. Deportation bei den Familien Braun im Dienst war u. bis heute noch im Briefverkehr steht, hat noch persönliche Erinnerungen.

Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Erhebungen über die jüdischen Einzelschicksale in alphabetischer Folge der Wohnorte: Nellingen - Niederstetten, EA 99/001 Bü 138, 1 Bü