() Niederstetten, 6. Okt. Einen schönen und gemütvollen Auftakt zu unserem Herbstfest bildete die am Samstag abend im Melber'schen Saale abgehaltene „Fünfzigerfeier“. Von weit und breit waren die „81er“ gekommen, um mit ihren hiesigen Altersgenossen einen Tag der freudigen Erinnerung zu begehen. Herr Schreinermeister Meider hielt die Begrüßungsrede. Ein junges Mädchen trug folgenden, von Herrn Max Stern den „Fünfzigern“ gewidmeten Prolog vor:

Meistens ist des Lebens Mitten
Mit den „Fünfzig“ überschritten.
Einen Tag sucht sich der Geist
Auszuruhen da zumeist.
Rück- und Ausblick will er halten
Was in unseres Lebens Walten
Gut war — war Erfolg gekrönt —
Was das Dasein uns verschönt.
Auch was uns im Leid erregt
Die Gedanken dann bewegt. —
Wie wir eint die Schulbank drückten —
Und wir dann ins Leben rückten.
Wie der Lehrling angefangen —
Die Gesellenzeit vergangen —
Bis nach altem, rechtem Brauch
Selbst wir wurden Meister auch.
(Und nach diesem Lebenslauf
Bauet jeder Stand sich auf).
Oder wie im Haufe drinnen
Schulte sich der Mädchen Sinnen,
Bis, nach Kindes Tanz und Spiel
Strebt ihr Sinn nach höh'rem Ziel.
Bis dann in den zarten Banden,
Wir uns in die Ehe fanden.
(Oder wie wir nach Belieben
Ledig und allein geblieben).
Die Gedanken gehen weiter —
Ehetage, ernst und heiter,
Treten ins Erinnern ein.
Und wir schaffen für ihr Glück,
Eh' wirs denken sind sie flügg.
Dann des Krieges Grauen — Beben,
Und des Nachkriegs schwer Erleben —
Alles will bedacht wohl sein
Stellen sich die Fünfzig ein.
Eines von den größten Uebeln
Aber ist allein zu grübeln.
Schöner ist's, dem Freund zu lauschen
Und Erinnerung auszutauschen.
Dazu, ferne Schwestern, Brüder
Luden euch zur Heimat wieder
Treue Freunde. — Eurem Kommen
Bieten herzlich wir Wilkommen.
Auch euch Freunden, die hier leben
Froher Willkomm sei gegeben.
Dieser Stunden froher Reigen
Soll uns allen innig zeigen,
Daß, wie in der Jugend Tagen,
Unsre Herzen einig schlagen.
Jugend laßt heraufbeschwören,
Von der Jugend laßt uns hören!
Was ihr trachtet — sprechet — treibt —
Laßt uns in die Augen schauen!
Hebt die Gläser, Männer, Frauen!
(Vorbachtäler gibt's ja noch)
Jahrgang Einundachtzig Hoch!

Den Kernpunkt des Abends bildete ein vorzüglicher Vortrag des Herrn Bürgermeister Schroth über "Niederstetten in den letzten 50 Jahren". Herr Bürgermeister Schroth ging von der Bevölkerungsbewegung jener Zeit aus, deren zahlreiche Geburten er im Vergleich zu unserer Zeit stellte. Dann gab der Redner ein genaues Bild aller wichtigen Vorkommnisse seit jener Zeit. Neubauten, Straßen und Wasserbauten, Ueberschwemmungen, Weinjahre, gute und schlechte, Stadtschultheißenwahlen, Kriegszeiten, Wasserleitungsbau, Vereinsleben und viele andere im Leben der Stadt wichtige Ereignisse fanden Erwähnung. Kein Wunder, daß den alten Niederstettenern, welche zum Teil viele Jahrzehnte ihre Heimat ferngeblieben waren, das Herz in alter Liebe zur Heimat warm wurde. – Herr Schlossermeister Fischer verlas viele eingegangene Schreiben von "50ern", welche verhindert waren, zu kommen. Auch aus dem Ausland waren Kundgebungen von Heimattreue, zum Teil begleitet von wertvollen Geldgeschenken, eingelaufen. Ein musikalisches u. gesangliches Programm, sowie der gemeinschaftliche Gesang von Heimatliedern verschönte den Abend und schwer wurde den Teilnehmern das Auseinandergehen. Alle Teilnehmer aber werden den Samstag als schöne Erinnerung noch lange nicht vergessen.

Vaterlandsfreund, Nr. 234, 7. 10. 1931