() Niederstetten, 2. Jan. Schon die Vortragsfolge des Weihnachtskonzerts des Männergesangvereins Niederstetten ließ große Dinge erwarten. Seit der Verein von Herrn Chormeister Fleckenstein geleitet wird, läßt er es sich nicht mehr allein mit dem weitergepflegten volkstümlichen Männergesang genügen, sondern er strebt nach höheren Zielen. Diese Tatsache hat sich schon bei den letzten Darbietungen und bei dem Erfolg in Ulm gezeigt. Dieser gute Ruf hat daher nicht nur unsere Bürgerschaft zahlreich in die Turnhalle geführt, sondern auch viele Bewohner nachbarschaftlicher Orte hatten sich zu dem Weihnachtskonzert in der Turnhalle eingefunden. Die ersten 2 Lieder entsprachen der Weihnachtszeit. Dann folgte der an versteckten Schwierigkeiten reiche Beethoven'sche Männerchor „Fahr wohl du goldene Sonne“. Das Orchester Bad Mergentheim war zur Mitwirkung gewonnen und spielte besonders schön das Frühlingserwachen von Bach. Die hohe Leistung des Männergesangvereins begann mit der „Landerkennung“ von Grieg, des nordischen Meisters, welcher durch seine herrliche Peer Gynt-Komposition ganz Deutschland zu seinen Bewunderern zählt. In „Landerkennung“ ist er Meister der nordischen Ballade. Männerchor, Baritonsolo (Herr Fezer) und Orchester boten eine vollkommene Leistung. Die Partitur der „Landerkennung“ dürfte die größten Anforderungen von allen Stücken des Abends an alle Mitwirkenden gestellt haben. Als ganz große Leistung war das Melodram „Columbus“ für gemischten Chor, Orchester und verbindende Rezitation (Herr Fezer) zu werten. Wie Columbus und die Seinigen voller Hoffnung in See gehen, wie das zuerst fröhliche Leben an Bord in Hoffnungslosigkeit übergeht, wie Aufruhr den großen Seefahrer bedroht und wie in höchster Not Land gesichtet wird — alles war Erleben. Die Kraft der Komposition war in die Seelen der Sängerinnen und Sänger, des Sprechers und des Orchesters eingedrungen. Tiefergriffen spendete die Zuhörerschaft reichen Beifall. Und dann wurde getanzt. Das klingt wohl gegensätzlich. Aber die Vereine brauchen Geld und die jungen Leute wollen tanzen.

Vaterlandsfreund, Nr. 3, 4. 1. 1930