() Niederstetten, 3. Dez. Nun ist auch der Schlußstein in den Bau der Untersuchung des bedauernswerten Vorkommnisses der letzten Samstagnacht eingefügt. Tatsächlich war eine zweite Person am Tatorte anwesend, der Freund des erschossenen Otto Rupp, der Schreinergeselle Schupp von hier. Er hat sich heute freiwillig gemeldet, um seine Aussagen zu machen. Nun läßt sich auch ein genaues Bild der Vorgänge geben. Rupp und Schupp waren wohl beide etwas angeheitert. Sie trafen sich zufällig gegen 12 Uhr nachts auf der Straße. Zu Dummenjungenstreichen aufgelegt, kamen sie an das Schloßportal. Schon hatten sie eine Stange entfernt, da erwachte der im Schlosse wohnende Förster Müller. Vom Fenster aus rief er den beiden jungen Leuten zu, sie sollen sich entfernen, sonst werde er schießen. Schupp sagte zu Rupp: „Komm, wir wollen gehen“ und sprang in der Richtung nach dem Schloßwäldchen fort. Kaum war er um die Erke beim katholischen Pfarrhaus, da krachte ein Schuß. Schupp rannte auf einem Umweg so schnell er konnte, nach Hause. Er glaubte, auch sein Freund wäre davongelaufen. Es kam ihm gar nicht der Gedanke, daß sein Freund getroffen sein könnte. Als Schupp am anderen Morgen von der Tat hörte, war er tieferschüttert. Er erfuhr wohl, daß viele junge Leute vernommen wurden, ob sie Begleiter des Rupp gewesen seien, aber seine angegriffenen Nerven und ein falsches Schamgefühl hinderten ihn auszusagen. Gestern morgen ist Schupp selbst zum Staatsanwalt gegangen. Nachmittags 1 Uhr fand die Sektion des erschossenen Otto Rupp statt. Die Leiche wurde hierauf vom Oberstaatsanwalt freigegeben. Im Uebrigen stimmen die Aussagen des Försters Müller u. des Schreinergesellen Schupp in den wesentlichsten Punkten überein. Otto Rupp, welcher nur 23 Jahre alt war, wird heute nachmittag beerdigt. Seinen Eltern und Geschwistern wendet sich allgemeine Teilnahme zu. — Förster Müller wurde am Montag abend aus der Haft entlassen.

(Vaterlandsfreund, Nr. 285, 3. 12. 1929)