() Niederstetten, 1. Okt. Unsere Stadt hatte heute festlich geflaggt. Unwillkürlich dachte ich an die ersten Tage des Weltkrieges, als Siegesnachricht auf Siegesnachricht von der deutschen Front kam. Auch heute galt es einen deutschen Sieg zu feiern — zum ersten Mal kam der große, neue „Graf Zeppelin“ über Niederstetten. Die Siege des Krieges sind durch die Ereignisse, welche folgten, unwirksam geworden. Der Sieg des Zeppelin, ein Kultursieg deutschen Geistes und deutscher Arbeit, wird Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende überdauern. Unser Geschlecht ist von der Technik verwöhnt worden. Fast täglich hören und sehen wir neue Erfindungen, welche das Leben lebenswerter machen. Aber trotzdem hat die Erwartung des Zeppelin alle Bewohner unserer Stadt bis aufs äußerste angespannt. Unser Landesmann, der Bordingenieur Sammt, hatte uns versprochen: gegen 10 Uhr überfliegen wir Niederstetten. Und er hat der Sache und der Zeit nach Wort gehalten. Punkt 10 Uhr war ein leises Motorengeräusch zu vernehmen und schon nahte von Südwesten kommend, das herrliche Luftschiff. Auf dem Sportplatz hatte der größte Teil der Einwohnerschaft Aufstellung genommen und ein unbeschreiblicher Jubel ging aus von der Menge, hinauf zu dem Riesen, welcher da majestätisch über uns hinwegzog. Ganz langsam zog das Luftschiff über unsere Stadt. Und wie der geistige Gruß von unten nach oben zog, so flog ein wirklicher Gruß vom Schiff zur Erde. Alb. Sammt hatte Post abgeworfen. Viele Freunde hatte er bedacht und mit Stolz darf ich erwähnen, daß auch der ()-Korrespondent unter den Geehrten war, welche einen Kartengruß erhielten. Freilich wäre der ()-Korrespondent selbst gerne einmal „Zeppelingefahren“. Aber bei der Höhe der Preise (nicht der Flughöhe) muß er das Vergnügen den „Großkopfeten“ überlassen, wie Thoma so schön sagt. Aber schon das Ansehen dieses wundervollen Luftschiffes begeisterte alle unsere Einwohner und sie empfanden alle die Größe des Geistes, welche dieses Schiff erfunden hat und welche dieses Schiff lenkt. Mögen ihm immer glückliche Fahrten beschieden sein. Glück auf, „Graf Zeppelin“. M[ax]. St[ern].

Vaterlandsfreund, Nr. 232, 2. 10. 1929