Spruchkammer Mergentheim, Der öffentliche Ankläger
den 13. Oktober 1947
Aktenzeichen 33/32/1257
An die Spruchkammer Mergentheim
Klageschrift
I. Es wird Klage erhoben gegen Karl Hachtel, Hausmeister, geb. am 1. Februar 1893, Niederstetten, Bahnhofstrasse 19 auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 (Ges. Nr. 104).
II. Es wird beantragt:
1. den Betroffenen in die Gruppe der Hauptschuldigen (I) einzureihen;
2. mündliche Verhandlung anzuberaumen
V.
1. Ausfertigung der Klageschrift mit Vordruck "Mitteilung der Klageschrift" und Rechtsbelehrung an Betroffenen- Zustellung durch Einschreiben –
2. Abschrift der Klageschrift an das Ministerium f. polit. Befr./Aufsichtsabt./Stuttgart
3. Ausfertigung der Klageschrift an die Militärregierung Bad Mergentheim
4. Mit Akten an die Spruchkammer
Begründung.
I. Angaben zur Person:
Der Betroffene war Hausmeister von 1938 ab, vorher Bahnarbeiter in Weikersheim. Nach Angabe des Finanzamtes erreichte er sein höchstes Einkommen im Jahre 1940 mit 2 440.– RM, Nach seinen Angaben im Meldebogen im Jahre 1943 mit 1 800. – RM.
II. Verdachtsgründe, die gegen den Betroffenen vorliegen:
A. Formale Tatbestände:
Der Betroffene war von 1932 bis 1945 Mitglied der NSDAP, ab 1936 Zellenleiter und stellvertr. Ortsgruppenkassenleiter ab 1939 bis März 1941. Stellv. Ortsobmann der DAF von 1934 - 1945 und einfaches Mitglied der NSV von 1937 bis 1945. Ausserdem erhielt er die Verdienstauszeichnung für 10-jährige Mitgliedschaft.
Der Betroffene gehört mithin zu den unter D,II,4; D,II,2; F II, und J,II,5 der Anlage A bezeichneten Personen. Es ist somit gemäss Art. 10 des Gesetzes in Verbindung mit Anlage Teil A bis zum Beweis des Gegenteils zu vermuten, dass er mindestens einen der Tatbestände der Art. 7 - 9 erfüllt hat.
Das bisherige Ermittlungsergebnis bestätigt diese Vermutung in vollem Umfange. Die amtlichen Auskünfte bezeichnen ihn als Aktivist, als Nutzniesser, als gefährlichen Fanatiker, vor dem man sich ängstlich zu hüten hatte. (Bl. 5). Er wird auch als Agent der Gestapo und einer der übelsten Pg's in Niederstetten hingestellt, der der böse Geist und schärfste Hetzer bei den Judenverfolgungen war (Bl. 5). Auch Blatt 7 belastet ihn schwer in ähnlicher Weise. Seine Äußerung, kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner: "Ehe die Ammis kommen, gehören noch 50 Mann umgelegt," (Bl.)) zeigt deutlich, dass der Betroffene auch noch bis in die letzten Tage ein überzeugter Pg. war. Ebenso wird er auf Bl. 20 als Propagandist der Ort- und Kreisleitung, als gehässiger Pg., als allgemein befürchtet hingestellt.
Wenn auch eine Klage nach Art. 5,7 betreffs Mitarbeit bei dem SD oder der Gestapo, wegen Mangels an Beweisen, nicht erhoben werden kann, so ist doch anzunehmen, dass dieser Tatbestand zutrifft, der ganz der übrigen Gesamthaltung des Betroffenen entspricht.
Der Betroffene ist ohne Zweifel einer der tätigsten Aktivisten der Partei in Niederstetten gewesen. Insbesondere ist er als gehässiger roher Judengegner bekannt geworden. Nach Bl. 34 ist er einer der Verantwortlichen der Judenprogrome [!] am 25. 3. 1933. Dies wird nach Bl. 25 der Akten bestätigt. Bl. 24 - 34 geben den Beweis, dafür, dass der Betroffene seine Judenhetze in übelster Form und dazu in aller Öffentlichkeit betrieb, indem er die Juden beleidigte, bespuckte, misshandelte und deren Kunden ebenfalls beschimpfte. Er wollte dadurch die jüdischen Geschäftsleute boykottieren. Durch dies Verhalten hat er der Öffentlichkeit ein Beispiel gegeben, wie man ungestraft mit den Juden umspringen konnte, und ohne Zweifel dazu beigetragen, dass ein Teil der Bevölkerung am 25. 3. 1933 sich für diese Ausschreitungen hergegeben hat. Das aber bedeutet Erfüllung des Tatbestandes des Art. 5 Ziff. 3.
Er hat ferner mit Dertinger zusammen in der Gastwirtschaft der Rösle Gerlinger Juden fotografiert, um diese Fotos im Stürmer zu veröffentlichen (Bl. 26). Er hat Leuten, die für Juden arbeiteten mit Verhaftung gedroht (Bl. 29) Ferner beschlagnahmte er dem Otto Baumann, Niederstetten, einen Radio-Apparat (Bl. 32) Es besteht die Vermutung, dass er sich an diesem bereichert hat. Seine zahlreichen Beschimpfungen, sein An- und Ausspucken vor den Juden können in der Klage unmöglich alle aufgeführt werden. Es wird auf Bl. 24 - 34 verwiesen. Als erfüllt sind die Tatbestände des Art. 7,I,1; 7,I,2; 7,I,3; 7,II,5; 7,II,9; 7,II,10 anzusehen.
Der Betroffene hat als vollverantwortlich für seine Handlungen zu gelten. Zugunsten des Betroffenen lässt sich nach Art. 39,II nichts anführen, desto mehr aber zu seinen Ungunsten. Bei der Entscheidung über seine Einreihung in die Gruppe der Verantwortlichen wären besonders zu berücksichtigen: Art. 39,I,1; I,4; I,5.
Der Betroffene ist belastet nach Art. 5, Ziffer 3; Art. 7,I,Ziff. 1-3; Art. 7,II Ziffer 1, 5, 9, 10. Eine mildere Beurteilung ist auf keinen Fall zu empfehlen, da sein gehässiges, rohes Verhalten dies in keiner Weise angebracht scheinen lässt. Seine Einreihung in Gruppe I ist unbedingt gerechtfertigt.
Bei der Bemessung der Sühnemaßnahmen kann gleichfalls von mildernden Gründen keine Rede sein, da seine Gesamthaltung und seine vielfache Verbindung zur NSDAP dies nicht zulassen.
Beweismittel:
Meldebogen, Arbeitsblätter und die in der Klage näher bezeichneten Schriftstücke als Urkunden.
Zeugen:
1.) Karl Thalheimer, Niederstetten, Vorbachzimmerstr. 324
2.) Marie Dünkel [recte: Dinkel], Lange Gasse
3.) Wilhelm Friedrich, Niederstetten, Bahnhofstr. 19
4.) Gottlob Thürauf, Niederstetten, Erbsengasse
5.) Rösle Gerlinger, Niederstetten, Römergasse 4
6.) Karl Keim, Niederstetten, Torgasse 74
7.) Lina Gehringer, Niederstetten, Bahnhofstr.
8.) Otto Baumann, Niederstetten, Bahnhofstr. 19
9.) Mina Baumann, Niederstetten, Bahnhofstr. 19
10.)
Die Zuständigkeit der Kammer ergibt sich aus Art. 29a des Gesetzes.
[Unterschrift]

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