Brief aus Niederstetten
* Niederstetten, 11. Sept. Am vergangenen Dienstag haben uns 23 flämische Ferienkinder, welche sechs Wochen hier untergebracht waren, wieder verlassen. Die Kinder, welche teilweise schon das zweite Mal hier waren, sind gern hier gewesen und haben Niederstetten ungerne verlassen, trotzdem ist wieder zur Heimat zurückging. Bei manchen Kindern und auch bei manchen Pflegeeltern hat es beim Abschied Tränen gegeben. Außer den flämischen Kindern sind in der hiesigen Ortsgruppe noch weitere 50 Kinder aus dem luftgefährdeten Gebiet untergebracht.
Auf dem hiesigen Güterbahnhof herrscht zur Zeit Hochbetrieb und zwar durch die Verladung von Kartoffeln (mittelfrühe). Das Lagerhaus versendet seit einiger Zeit täglich große Mengen Kartoffeln. Auch die Anlieferung des Brotgetreides hat schon stark eingesetzt.
Nach einer vorübergehend geltenden ortspolizeilichen Vorschrift sind die Weinberge für solche Personen, welche keine Anbauflächen in diesen Geländen haben, 'geschlossen'. Das Begehen der Weinbergwege und der Weinberge überhaupt ist verboten und strafbar. Nachdem auch dieses Jahr keine Weinbergschützen vorhanden sind, wird die Aufsicht in den Weinbergen dieses Jahr gemeinschaftlich durch die Weingärtner durchgeführt.
Nach einer längeren Pause bringt die Gaufilmstelle am nächsten Sonntag nachmittag und abends in der Turnhalle den Film "Kampfgeschwader Lützow".
Die NSV hat nun auch in Niederstetten eine Hilfsstelle für "Mutter und Kind" eingerichtet und zwar im Hause der Ortsgruppe in der Ledergasse. Die Eröffnung der Hilfsstelle erfolgt in nächster Zeit. Auch der NSV-Kindergarten hat in letzter Zeit eine Erweiterung erfahren und zwar durch die Zuweisung eines weiteren Saales in der Alten Schule. Dieser Saal dient den Kleinen zum Mittagsschlaf und zur Ausübung der Gymnastik.
Standesamtliche Nachrichten: Getraut wurden: Hermann Mauser, Müller, von Blaufelden (b. d. Wehrmacht) und Emma Hagelstein von hier. Gestorben sind: Karoline Wagner, K. Ehefr.; Babette Reis, Joh. Ehefr. und Katharine Groß, Gg. Witwe.
Tauber-Zeitung, 12. 9. 1942