Ein Pionier der Luftschiffahrt
Luftschiffkapitän Sammt wird 50 Jahre.
Der Tbztg. wird geschrieben:
In das Städtchen Niederstetten kamen im Jahre 1911 begeisterte Briefe von einem jungen Mann, der nach Baden-Oos zur Deutschen Luftschiffahrt AG., der Delag, gekommen war. "Lieber Albert", schrieb er an seinen Bruder, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schön es bei der Luftschiffahrt ist. Wenn vor zwei Fahren auch das Unglück bei Echterdingen passierte, die Sache hat dennoch eine Zukunft, verlaß Dich drauf. Der alte Herr, unser Graf Zeppelin, sagt immer wieder, daß es noch so weit kommt, daß man mit Luftschiffen über die Weltmeere fährt. Es gibt viele hochgestellte Leute, die lachen über unseren Grafen und nennen ihn einen Phantasten, auch heute noch, nachdem das gesamte Volk ihm mit seiner Spende geholfen hat, sein Werk weiterzuführen. Aber wer zuletzt lacht, der hat besser lachen. Wir glauben unserem alten Grafen und arbeiten. Hättest du nicht auch Lust, mitzutun?"
Und ob der 22jährige Albert Lust dazu hatte! Er war wie sein Brüder in der väterlichen Seilerei groß geworden, hatte gerade als Freiwilliger seinen Militärdienst hinter sich gebracht und fühlte in seiner schwäbischen Brust einen Drang, die Welt zu umfahren und zu erobern, wie nur je einer seiner Landsleute. Gar nicht schnell genug konnte er die Sache mit seinen Eltern ins Reine bringen und seinen Bruder auffordern, die nötigen Schritte zu tun. Ein Jahr später wurde er mit seinen Kenntnissen als Seiler und Textilfachmann als Luftschifftakler angenommen, und seitdem ist Bruder Albert, den man heute weithin als Luftschiffkapitän Albert Sammt kennt, bei der Luftschiffahrt. Heute aber, am 24. April, begeht er seinen fünfzigsten Geburtstag.
Wie heute noch jeder, der einmal Luftkapitän werden will — und habe er auch schon sein Kapitänspatent von der Seeschiffahrt her — so fing Albert Sammt von der Pike auf seinen Dienst an. Erst war er Takler und lernte als solcher die ganze Luftschiffkonstruktion, den Zellenbau und die Zellenpflege kennen. Danach wurde er als Seitensteuerer und Höhensteurer ausgebildet, und zwar auf dem glücklichsten Schiff, das vor dem Kriege wurde, auf der "Viktoria Luise". Die beste Lehrzeit des Luftschiffers Albert Sammt aber war im Krieg, als er in Potsdam und Staaken bei Berlin im Luftschiffbau tätig war. Die ungeheuren Anforderungen des Krieges an die Luftschiffe machten immer wieder neue Verbesserungen nötig. Immer größere Höhen mußten die Luftschiffe gewinnen können, um der Abwehr durch Artillerie und Flieger zu entgehen. Sie mußten also immer leichter und trotzdem stabiler werden. Seide für den Zellenbau, das eigentliche Fachgebiet Sammts, war immer schwieriger zu bekommen. Mit allen möglichen Fasern wurden Versuche gemacht, um Verbesserungen zu erzielen. Das waren sorgenvolle, jedoch in dem als Gesamterfolg zu verzeichnenden Fortschritt auch glückliche Arbeitsjahre, in denen sich Albert Sammt mit den anderen namenhaften Trägern des Deutschen Luftfahrtgedankens zu einem der besten Kenner und Könner der Zeppelinluftschiffahrt entwickelte.
Nach dem Krieg hat er auf sämtlichen seitdem gebauten Luftschiffen Dienst getan. Als Offizier, Wachthabender und schließlich auch als Kapitän. Er fuhr mit der "Bodensee" zwischen Berlin und Süddeutschland; er brachte den LZ. 126, der nach Amerika ausgeliefert werden mußte, über den Ozean. Er machte mit dem LZ. 127, dem älteren "Graf Zeppelin", fast alle großen Reisen mit, um die Welt, in die Arktis und unzählige Fahrten zwischen Deutschland, Süd- und Nordamerika, auf denen Tausende Passagiere und große Güterwerte befördert wurden. Später war er auf dem LZ 129, dem "Hindenburg". Bei dem Unglück von Lakehurst wurde er schwer verletzt, ist aber vollkommen wiederhergestellt. Und nun hat er das neue Luftschiff, den großen "Graf Zeppelin", schon auf einer Reihe Probefahrten geführt. Natürlich fragten wir ihn, als wir ihm in seinem Häuschen in Frankfurt-Niederrad gegenübersaßen, wie er über die Zukunft der deutschen Luftschiffahrt denke. Er besann sich nicht lange und sagte nur: "Genau wie der alte Graf und wie mein Bruder im Jahre 1911".
Arnold Beirich.