Niederstetten. Am Montag, den 29. Jan. 1934, fand unter dem Vorsitz von Gutsbesitzer Marquardt-Crailsheim die jährliche Bezirksversammlung der landwirtschaftlichen Genossenschaften des Bezirkes Gerabronn in Niederstetten im „Ochsen" statt, an welcher 64 Vertreter von 33 Genossenschaften teilnahmen. Als Gäste waren anwesend: Kreisbauernführer Philipp u. Landesökonomie-Rat Hege.

Nach einleitenden Worten des Vorsitzenden sprach Verbandsdirektor König-Stuttgart vom Württembergischen Landesverband landwirtschaftlicher Genossenschaften über die Zukunftsaufgaben der landwirtschaftlichen Genossenschaften. Nach einer kurzen Einleitung, in welcher er über die wunderbare Tatsache der Einigung unseres Bauernstandes im Dritten Reiche und über die günstige Aufwärtsentwicklung unserer Wirtschaft sprach und in welcher er insbesondere auch das wiedergekehrte Vertrauen unserer Bevölkerung und den neuerstarkten Mut zur Aufbauarbeit hervorhob, ging er zunächst auf die Organisation des Reichsnährstandes ein und schilderte im Rahmen desselben die Bedeutung der Hauptabteilung III des Reichsnährstandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Zukunftsarbeit an der Wiedererstarkung des Bauernstandes. Bei dem großen Anteil, den die Genossenschaften an der wirtschaftlichen Festigung und Erhaltung der Selbständigkeit des Nährstandes haben, darf es in Zukunft kein Abseitsstehen Einzelner mehr geben. Er behandelte dann in eingehender Weise die Zukunftsaufgaben der Darlehenskassenvereine und zwar zunächst das Einlage- und Kreditgeschäft und betonte herbei, daß die Aufgaben der Darlehenskassenvereine nicht der Befriedigung des Realkredits, sondern des Betriebskredits (Personalkredits) liegen. Voraussetzung hiefür sei einerseits die weitgehende Erfassung der flüssigen Betriebsmittel, was wieder als Voraussetzung die Festigung des Vertrauens der Einleger zur Darlehenskasse habe. Grundlage hiefür sei nicht nur die Gewähr, die die Reichsregierung bezüglich der Unantastbarkeit unserer Währung biete, sondern auch das Vertrauen, das eine einwandfreie Geschäftsführung gebe. Diese wieder bestünde nicht nur in Zuverlässigkeit und Redlichkeit und in der Schweigepflicht der Organe, sondern auch in der vorsichtigen Beurteilung der Sicherheitsfragen und der persönlichen Eigenschaften des Kreditnehmers. Insbesondere müsse eine durchgreifende Erziehungsarbeit im Hinblick auf die Hebung der Schuldnermoral durchgeführt werden. Der Einleger müsse neben der Sicherheit auch die Gewähr dafür haben, daß er über seine Einlagen im Bedarfsfalle verfügen könne. In der Richtung der Liquidität seien im letzten Jahre sehr beachtliche Fortschritte bei den Genossenschaften aufzuweisen.

Im Zusammenhange mit dem Einlagegeschäft streifte er die Einrichtung des Erbhofsparbuches, das für die Kinder der Erbhofbauern von größter Wichtigkeit sei. Von ausschlaggebender Bedeutung für die Förderung des Nährstandes sei die Förderung des Bezugwesens und dies wieder ausschließlich unter dem Gesichtspunkte der Steigerung der Rentabilität der Betriebe und der Förderung des Absatzwesens, das künftig die Hauptaufgabe der Genossenschaften sei. Dort wo keine größeren genossenschaftlichen Absatzeinrichtungen bestünden, müßte der Absatz der Erzeugnisse der Ackerwirtschaft von den Darlehenskassenvereinen aufgegriffen und ausgebaut werden. Neben dem Absatz der Erzeugnisse der Milchwirtschaft, die durch eine großzügige Organisation des Reichsnährstandes durch die Errichtung des Milchwirtschaftsverbandes und des Molkereiverbandes für die Zukunft gesichert werde, seien z. Zt. in Vorbereitung Maßnahmen zur Organisation des Eierabsatzes und des weiteren Ausbaues des Viehabsatzes. Sämtliche landwirtschaftlichen Erzeugnisse müßten so erfaßt werden, daß sie auf möglichst kurzem Wege dem Verbraucher zugeführt würden mit dem Endziel, ohne eine Verteuerung für den Verbraucher bessere und. stabile Preise dem Landwirt zu sichern. Es gelte, dem Nährstand dazu zu verhelfen, wieder Herr auf eigener Scholle zu sein und diese Aufgaben könnten nur in tatkräftiger und selbstloser Mitarbeit sämtlicher Angehöriger des Nährstandes erreicht werden. Es gilt, das Programm des Führers in die Tat umzusetzen. Genossenschaftsarbeit sei praktischer Nationalsozialismus, wer sie fördert, dient demselben und unserem Volke, wer abseits steht oder sie gar stört, schädigt seinen Stand und das Volksganze. Ein neuer Geist müsse in den Genossenschaften und ihren Mitgliedern einkehren, der wahrhaft nationalsozialistische Geist, welcher in all seinen Auswirkungen die Volksgemeinschaft, das Wohl des Ganzen vorne anstellt.

Zu Punkt 2 der Tagesordnung sprach sodann über die Maßnahmen zur Entschuldung des Bauernstandes Direktor Pfeiffer-Stuttgart, von der Landw. Genossenschafts-Zentralkasse. Nach einleitenden Worten, in welchen ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung der Geld- und Finanzverhältnisse seit 1931 gegeben wurde und in welchen mit Befriedigung festgestellt wurde, daß sich eine Erleichterung auf dem Geldmarkte feststellen lasse, die allerdings vorläufig sich nur in einer größeren Liquidität, aber nicht in der Möglichkeit neuer Kreditgewährung auswirke, stellte er fest, daß die Hoffnung durchaus begründet sei, nach welcher in nicht allzu ferner Zeit die Kreditbedürfnisse der Wirtschaft eine bessere Befriedigung finden können. Diese Besserung ließe sich unschwer als Folge der Maßnahmen der Reichsregierung feststellen. Das Vertrauen zur deutschen Wirtschaft und zur deutschen Währung sei wiedergekehrt. Auch ließe sich bereits eine sichtbare Besserung der Schuldnermoral feststellen. Der Berichterstatter ging sodann auf die Frage des landwirtschaftlichen Schuldenregelungsgesetzes ein und führte zunächst die Grundgedanken des Gesetzes aus, wobei er darauf hinwies, daß dieses Gesetz, nicht wie die Allgemeinheit annehme, dazu da sei, blindlings Schulden zu streichen; vielmehr sei der Kernpunkt vor allem darin zu suchen, daß die Schulden im Wege der Umwandlung in langfristige, unkündbare Tilgungsdarlehen zu mäßigem Zinssatze umgewandelt werden, damit der Landwirt allmählich von seinen Schuldenfesseln befreit werde. Damit wolle das Gesetz erreichen, was der Bauernführer Reichsminister Darre sich als Hauptziel gesetzt habe, zu schaffen: „Freie Bauern auf freier Scholle"! Im weiteren schilderte der Berichterstatter die Handhabung des Gesetzes und legte dar, in welcher Weise die Anträge zu stellen seien. Er empfahl, dieselben zum Zwecke der Vorbearbeitung über eine Entschuldungsstelle dem Amtsgericht einzureichen. Anschließend erklärte er die von der Entschuldungsstelle der Zentralkasse entworfenen Antragsformulare. Sodann besprach er die verschiedenen Arten der Schuldenregelung, das Selbstentschuldungsverfahren, das förmliche Schuldenregelungsverfahren und das Entschuldungsverfahren mit Forderungskürzung (Zwangsvergleichsverfahren). Es erübrige sich, daß der Antragsteller sich irgend eines Rechtsberaters bediene, wodurch ihm nur unnötige Kosten erwachsen. Vielmehr könne er kostenlose Auskunft durch die Amtsgerichte, die Entschuldungsstellen, Kreisbauernführer, Bürgermeisterämter und Ortsbauernführer erhalten. Seine weiteren Ausführungen betrafen den Begriff des landwirtschaftlichen Betriebes. Wer als landwirtschaftlicher Betriebsunternehmer angesprochen werden könne und welcher Betrieb im Sinne des Gesetzes als landwirtschaftlicher Betrieb anzusehen sei. Eine außerordentlich wichtige Rolle spiele in diesem Gesetz die Mündelsicherheitsgrenze, die 2/3 des errechneten Betriebswertes betrage. Er teilte sodann mit, daß die Entschuldungsstelle der Landw. Genossenschafts-Zentralkasse gegen eine zu niedrige Festsetzung der Betriebswerte vorstellig geworden sei und gab die Gegenvorschläge der Zentralkasse auch für Betriebe mit Einheitswerten unter 10 000.- RM. bekannt. Seine weiteren Darlegungen bezogen sich auf die Höhe der Zinssätze nach Eröffnung des Entschuldungsverfahrens, auf die Umwandlung der kündbaren Hypotheken in Tilgungsgrundpfandrechte und auf die Möglichkeit einer Barablösung. Er wies weiter darauf hin, daß laut Gesetz der Gläubiger einer mündelsicheren Hypothekenforderung, die vor dem 13. Juli 1931 entstanden sei, jederzeit verlangen könne, daß seine Forderung von einer Pfandbriefanstalt übernommen werde. Er behandelte sodann die Rangfolge der Forderungs- und Tilgungsarten und teilte mit, daß mit Eröffnung des Entschuldungsverfahrens ein weitgehender Vollstreckungsschutz verbunden sei. Die Eröffnung des Entschuldungsverfahrens werde mit Festsetzung der Forderungsanwendungen jeweils am Dienstag im Staatsanzeiger bekanntgegeben.

An die beiden hochinteressanten Referate schloß sich eine lebhafte Aussprache an, in welcher eine Reihe von Fragen, die die erstatteten Referate und den Geschäftsbetrieb der Genossenschaften betrafen, besprochen wurden und zu welchen seitens der Referenten Stellung genommen wurde.

Der Franke, Nr. 27, 2. 2. 1934