( ) Niederstetten, 24. Dez. Im Rahmen einer Vereinsveranstaltung wurde uns gestern vom Kriegerverein der Film "Der Weltkrieg" geboten. Es ist unmöglich, über dieses Werk in alltäglicher Form zu berichten. Denn der Film "Der Weltkrieg" ist ein großes Werk. Ob der Film trotzdem seine Aufgabe gerecht geworden ist? Ich möchte es bezweifeln. Aber das ist nicht die Schuld der Regisseure und der Darsteller. Multipliziere man die Länge der Fronten und die Dauer des Weltkrieges (man kann ja auch in der Algebra a mit b multiplizieren) und Frage man sich dann, ob es überhaupt möglich ist, dieses ungeheure Erleben im Film darzustellen. Was können einige periodische Granatenvolltreffer sagen, ohne das Geheul der Geschütze, ohne die Wut und ohne den Mut des Kampfes, was können sentimentale Abschiedsszenen bieten ohne die Angst u. Sorge der Verlassenen. Und doch ist viel Gutes über den Film zu sagen. Die Entstehung des Krieges aus den ewigen Balkankrisen ist gut charakterisiert. Wir sehen dann die Begeisterung und den Aufmarsch nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Feinden. Der Siegesvormarsch unserer Truppen wird vor uns lebendig, bis die Front nach der Marneschlacht grauenhaft erstarrt. Auch an die Ostfront führt uns der Film. Die Zerstörung Ostpreußens und seine Errettung durch Hindenburg wird anschaulich, dann der Kampf der Russen gegen Oesterreich, welcher die Oesterreicher hinter die Karpaten zurückwirft. – Und wieder neue Feinde – der Kampf gegen Italien. Dann erscheinen wieder neue Bundesgenossen vor uns im Bilde – Türken und Bulgaren. Wieder wendet sich der Film nach Westen. Bei Arras bluten unsere Freiwilligen, bei Ypern kämpfen sie heldenmütig, bis die Sündflut Flandern überschwemmt. Dazwischen sehen wir unsere Truppen und die Truppen des Feindes – im Biwak – auf dem Marsche – auf dem Gefangenentransport. Nicht vergessen ist die Arbeit und die Not der Heimat. Der Film ist unpolitisch und objektiv – Sieg und Niederlage sind unbeschönigt zu verzeichnen. Aber was kann ein Film gegen die Wirklichkeit des Krieges sein? Wenn er auch matt ist gegen die Wirklichkeit, er kann das Grauen vor dem Kriege vermehren und der Menschheit Lehrer zum Frieden sein. Und wenn er diesen Zweck erfüllt, dann ist er einer hohen Aufgabe gerecht geworden, wenn er wie hier einen Tag vor dem Friedensfeste den Zuschauern angeboten wird. Und das Schlußwort des Films ist beherzenswert: Denkt daran und seid stolz darauf, wenn auch das Schicksal gegen euch entschied. Der Besuch der Weihnachtsfeier des Kriegervereines im Löwensaale war sehr gut. Herr Vorstand Knenlein hielt eine kurze Ansprache und machte Mitteilung davon, daß der Verein nachstehende Herren zu ihren Ehrenmitgliedern ernannt habe: Herrn Stadtacciser a. D. Scherb, Herrn Oberbahnwärter a. D. Esser, Herrn Schmidt zum Ochsen. Ferner überreichte er das Ehrenschild des Württ. Kriegerbundes den Herren Karl Frank, Niederstetten und Eduard Rum, Sichertshausen. Nach Schluß des Filmes bot die Lotterie gute Gelegenheit zu ansehnlichen Gewinnen und dann spielte die Stadtkapelle flott zum Tanze auf. Krieg Lotterie und Tanz – es war also ein recht abwechslungsreicher Abend und der Kriegerverein und seine Gäste dürfen mit Zufriedenheit auf dessen Verlauf zurückblicken.

Vaterlandsfreund, 28. 12. 1928