( ) Niederstetten, 23. Nov. Die Wohnungsfrage gehört seit dem Kriegsende zu den wichtigsten Lebensfragen des deutschen Volkes. Leider macht die Lösung der Wohnungsfrage trotz vielfacher staatlicher und privater und genossenschaftlicher Bemühungen nur recht langsame Fortschritte. Die Gemeinschaft der Freunde in Wüstenrot will der Wohnungsnot durch Selbsthilfe der Wohnungssuchenden abhelfen, sie will Wohnungen schaffen durch Erziehung der Baulustigen zur Sparsamkeit. Dieses Unternehmen wurde in der Öffentlichkeit schon vielfach genannt. Welche Einstellung man dazu auch nehmen mag, es stellt eine große Bewegung dar, an welcher man nicht vorbeigehen kann. Von Interesse war es daher, daß gestern ein Vertreter der Gemeinschaft der Freunde, Herr Haag-Frankenbach, einen lehrreichen Vortrag über die Ziele der Bewegung hielt. Herr Stadtschultheiß Schroth eröffnete und begrüßte die leider nicht sehr zahlreich besuchte Versammlung. Er betonte, daß die Gemeinschaft der Freunde ihr Ziel, der Wohnungsnot abzuhelfen, ohne jede Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu erreichen suche. Das Thema des Herrn Haag lautete Zweck und Ziel der Gemeinschaft der Freunde. Diese sei eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie will demjenigen, welcher die Absicht hat, zu sparen und ein eigenes Heim zu bauen oder zu erwerben, auf schnellem und sicherem Wege dazu helfen. Sie hat heute nahezu 50.000 Sparer, von den 4.351 Sparer bereits Baugeld im Betrag von 67 Millionen Mark erhalten haben. Im Dezember findet eine weitere Verteilung von Baugeld statt, welche den Betrag von 10 Millionen erreichen dürfte. Die ursprüngliche Art der Zuteilung der Baugelder durch Verlosung ist längst verlassen worden. Die heutige Zuteilung beruht auf mathematischer Berechnung und verhindert so die Bevorzugung eines Sparers vor dem anderen. Die Sparer werden in Jahresgruppen eingeteilt, welche wiederum bestimmte Zuteilungsgruppen bilden. Die Zahl der Zuteilung hängt von den aus Zeit und Kapital errechneten Zinszahlen ab. Es ist dadurch möglich, daß Sparer, welche über den Tarif hinaus Zahlungen leisten, eine frühere Zuteilung des Baugeldes bewerkstelligen können. Die Berechtigung zur Zuteilung beginnt, wenn der Bausparer mindestens ein Jahr lang und mindestens ein Sechstel der Bausparsumme gespart hat. Er kommt dann in die Zuteilungsgruppe. Die vom Bausparer eingezahlten Beträge werden mit 2 Prozent verzinst, für das nun erhaltene Darlehen muß er 4 Prozent Zinsen und einen kleinen Verwaltungszuschuß bezahlen. Jedenfalls ist es Prinzip, daß der Sparer keinesfalls mehr an Zinsen und Amortisation bezahlen muß, wie er für die gleiche Wohnung an Miete aufbringen müßte. Er hat also nach Abzahlung seiner Schuld gegenüber dem Mieter den Vorzug, daß er ein eigenes Haus hat. Je nach Leistung des Sparers erfolgt die völlige Amortisation in 10 bis 17 Jahren. Bauen kann der Sparer wie und wo er will. Die Gemeinschaft der Freunde prüft aber die Pläne und Kostenvoranschläge, damit der Sparer nicht übervorteilt wird. Der Sparer kann auch ein Haus, welches er schon besitzt, mit dem Baugeld umbauen. Er kann auch ein anderes Haus kaufen, wobei ihm dann die Gemeinschaft der Freunde durch Prüfung der Schätzungen zur Seite steht. Jedenfalls kann der Bausparer, solange ihm das Baugeld zugeteilt ist, in obigem weitem Rahmen frei darüber verfügen. Der Redner stellte das Eigenheim im Gegensatz zu der Mietskaserne, welche jede persönliche Freiheit des Mieters und seiner Kinder unterdrücke. Daher müsse jedermann sein Eigenheim haben. Der Staat habe die Gemeinschaft der Freunde zur Hereinnahme von Depositen ermächtigt und die Gemeinnützigkeit anerkannt. Die ausgeliehenen Baugelder der Gemeinschaft der Freunde stehen alle als erste Hypothek auf der gebauten oder erworbenen Eigenheimen. Es sei hier noch gesagt, daß diese Eigenheime nicht ausschließlich Wohngebäude sein müssen, daß sie auch Werkstätten und landwirtschaftliche Gebäude einschließen können. Die Sicherheit gegen eine etwaige Geldentwertung besteht im § 607 des Bürg. Gesetzbuches, wonach Geliehenes in gleicher Güte und gleichem Wert zurückerstattet werden muß. – Im Todesfall oder sonstiger Behinderung des Bausparenden ist der ersparte Betrag nicht verloren, da der Bausparvertrag dann verkauft werden kann. Der Vortrag fand lebhaften Beifall. Im Anschluß an den Vortrag führte der Redner Lichtbilder von schönen Eigenheimen vor, welche über ganz Deutschland verteilt sind. An der Diskussion beteiligten sich befürwortend Herr Stadtpfarrer Hahn-Niederstetten und Herr Markert-Crailsheim. Herr Stadtschultheiß Schroth dankte dem Redner und schloß die Versammlung.

Vaterlandsfreund, 25. 11. 1928