() Niederstetten, 1. Okt. Ein verregnetes Fest und doch ein schönes Fest. Dieser Satz klingt wohl etwas widerspruchsvoll. Aber wenn es auch ab und zu gestern geregnet hat, so blieben doch der wetterfreundlichen Stunden genug, um unser Herbstfest in schöner Harmonie verlaufen zu lassen. Der Festzug, welcher sich unter Vorantritt der Stadtkapelle vom Bahnhof aus durch die Stadt bewegte, bot ein Bild abwechslungsreicher Schönheit und imposanter Größe. Der Apfel des Paris gehörte unserer Jugend. Es ist erstaunlich, wie viel des Schönen durch das Zusammenwirken der Lehrerschaft und der Eltern hier geschaffen wurde, wie anmutig wirkten die vielen Blumen- und Weinlaubbogen, unter welchen die lieblichen Kleinen wandelten, wie humorvoll waren die vielen Gruppen aus dem deutschen Märchen zusammengestellt und wie würdevoll schritten die jungen Darsteller aller möglichen landwirtschaftlichen und gewerblichen Berufe. Dann kamen die Winzertänzer und Winzertänzerinnen in ihren schmucken Kostümen, ihnen folgt die Stadtverwaltung und die Geistlichkeit und diesen wiederum der lange Zug sämtlicher hiesiger Vereine. Auf dem Festplatz begrüßte Herr Stadtschultheiß Schroth sowohl die hiesigen Festteilnehmer als auch die zahlreichen Fremden. Er dankte allen, welche zu dem Gelingen des Festes in irgendeiner Weise beigetragen hatten. Der Zweck unseres Herbstfestes sei der, daß die Einwohnerschaft ohne Unterschied des Standes, des Berufes und der Konfession alljährlich einen Tag gemeinsam feiern soll, um ihre Einheit zu dokumentieren und zu empfinden. Der Verlauf des Festes trug auch diesem Grundgedanken Rechnung. Die Darbietungen waren sehr viele. Der Männergesangverein und seinem scheidenden Dirigenten, Herrn Lehrer Schaffert, sang seine schönsten Weisen. Der Sportverein lieferte dem Sportverein Heidenheim ein Fußballwettspiel, welches einen spannenden Verlauf nahm. Der hart erworbene Sieg blieb mit 2:1 bei Heidenheim. Auch das von Niederstetten gelieferte Spiel war recht lobenswert. Heidenheim zeigte sich jedoch im Zusammenspiel überlegen. Dem Sportverein folgte der Turnverein mit seinen vollendeten turnerischen Übungen. Die Damenriege beteiligte sich durch Freiübungen, die Turner zeigten glänzende Leistungen am Gerät. Der Schützenverein hatte für Liebhaber seine Sportes eine Schießbude ausgemacht. Leider mußte die Jugend mit ihren Spielen wegen des unbestimmten Wetters zurückstehen. der Winzertanz war der Teil der Darbietungen, welchem alle Festteilnehmer das größte Interesse entgegenbrachten. Die 28 Paare, welche diesen an wechselvollen Tanzbildern so reichen Tanz vorführten, hatten den stürmischen, ihnen gespendeten Beifall wohlverdient. Im besonderen galt dieser Beifall auch Herrn Richard Knenlein, welcher unter Aufwand von viel Mühe und Zeit den Winzertanz einstudiert hat. Als die Nacht sich über unser friedliches Tal senkte, erstrahlten das Schloss und das Wäldchen in magischem Lichte. Der Abend fand die meisten Festteilnehmer als flotte Tänzer und Tänzerinnen in der Turnhalle beim Festball wieder. Als kleine Entschädigung für das gestern entgangene Vergnügen wurde heute unserer Jugend ein kleines Kinderfest geboten. Noch einmal zog der jugendliche Teil des Festzuges durch die Stadt und auf dem Festplatz gab es für unsere Buben und Mädels unter Lust und Spiel viele freudig entgegengenommene Gaben. Der schöne Verlauf des Herbstfestes war ein Bild des Friedens und der Einigkeit unserer Stadt. Das Herbstfest soll eine bleibende Einrichtung sein und wollen wir hoffen daß im nächsten Jahr auch das Wetter mit uns einig ist.

( ) Niederstetten, 1. Okt. Die Einnahme der Stadtgemeinde für Gemeinde Obst betrug 1.700 M. Die Weinberge zeigen nach wie vor einen gesunden Stand und sind noch prächtig belaubt. Die Trauben gehen ihrer Vollreife entgegen. Das gestern eingetretene Regenwetter dürfte den Beginn der Lese beschleunigen.

Vaterlandsfreund, 3. 10. 1928