( ) Niederstetten, 10. Sept. Wenn der Dichter behauptet, nichts sei schwerer zu ertragen als eine Reihe von schönen Tagen, so hat er ausnahmsweise auch einmal unrecht. Seit dem Monat Juni haben wir das herrlichste Wetter, unsere Weingärtner zählen eine Rekordserie von echten Sommertagen und Mensch, Tier und Vegetation fühlen sich wohl. Unsere Weinberge reifen in der Gluthitze und lassen den September braten, was der August gekocht hat. Die Weinberge zeigen größtenteils einen schönen Behang und die Reife geht ungestört vorwärts. Meine Tätigkeit als Ihr Korrespondent hat mir sogar schon einige wunderschöne, ausgereifte Trauben, schwarzes Gewächs, aus dem Weinberg des Herrn Karl Horn eingetragen. Einige Regenfälle haben auch den Kartoffeln und Rübengewächsen nachgeholfen, so daß wir auch an Kartoffeln keinen Mangel haben werden. Besonders in einigen Nachbarorten wie Wildentierbach und Vorbachzimmern scheint die Kartoffelernte gut auszufallen. Die unter Dach gebrachte Ernte ist in Hinsicht auf die Menge und Güte ausgezeichnet ausgefallen. Das trocken aufgewachsene Getreide drischt sehr gut, die Körner sind mehlhaltig und schwer und sogar das Stroh ist besser als in vielen anderen Jahren. Unser Niederstettener Badestrand erfreut sich nach wie vor täglich des Zuspruches hiesiger Einwohner und fremder Besucher. Die einladende, klare Wasserfläche wird von hunderten von Kindern und Erwachsenen belebt. Es ist erstaunlich, wie viele Personen hier in diesem Sommer das Schwimmen gelernt haben. Altersunterschiede gibt es da nicht, von den Drei- und Vierjährigen an bis ins ansehnliche Mittelalter hinauf befleißigen sich die meisten Besucher des Schwimmsports. Unsere Knaben sind besondere Wasserratten geworden und vergnügen sich mit Kunstsprüngen aller Art. Das anschließende Luft- und Lichtbad gibt der Jugend Gelegenheit, die Wege zu Kraft und Schönheit zu suchen. Es ist ein erfreulicher und anmutiger Anblick, die Jugend sich dort in frohem Spiel tummeln zu sehen. Unser Bademeister registriert eifrig den Besuch und hat regelmäßige Besucher bis aus Rothenburg o. Tbr. festgestellt. Der Badepreis von 20 Pfennig für die Person tut dem Geldbeutel nicht weh und das Vergnügen und der Dienst am Körper sind die kleine Ausgabe wert. Hoffentlich beschert uns der September noch eine Reihe schöner Tage, damit sich noch recht viele Menschen unser Bad zu Nutze machen können.

Vaterlandsfreund, 12. 9. 1928