( ) Niederstetten, 11 Mai. Die drei Eisheiligen sind dem Weinbau gefährlich. Wenn alles in schönster Blüte steht, wenn der Weinstock in Licht und Wärme der ersten Maitage sich frisch entwickelt, dann drohen die drei Eisheiligen die herrliche Obstblüte, dem zarten Klee und ganz besonders dem empfindlichen Weinstock in ihren kalten Händen zu erwürgen. Aber der Weingärtner wird jetzt den Kampf mit der Kälte aufnehmen. Während er früher müßig zusehen mußte, wie die Kälte seine Hoffnung auf Ertrag vernichtete, will er jetzt die Kälte durch Feuer besiegen. Gestern nacht klang um 2 Uhr die Sturmglocke – das Thermometer zeigte im Städtchen 0 Grad an. Im Bach sank die Temperatur auf 4 1/2 Grad unter Null. Das war bedenklich. Kaum war der erste Klang erklungen, regte es sich überall in der Stadt. Alles strebte den Weinbergen zu. Kurze Zeit darauf brannten auf den Bergen hunderte von Feuern, ein grandioser Anblick. Es sah aus als ob ein Riesenheer seine Lagerfeuer angezündet hätte. Dunkle Gestalten bewegten sich zwischen den Flammen und entfachten dieselben zu immer neuer Glut. Gegen Morgen trübte sich der Himmel, die Feuer erloschen. Hoffen wir, daß unsere Weingärtner Sieger geblieben sind.

Vaterlandsfreund, 13. 5. 1928