Die Versammlung der Nationalsozialisten in Niederstetten.
(Vaterlandsfreund Nr. 101)
Der Berichterstatter versteht es musterhaft, aus den Ausführungen d. Redners das heraus zu preisen, was die Nationalsozialisten von vornherein belasten könnte, versteht es meisterhaft, die Ausführungen des Debattierredners in ein helles ansprechendes Licht zu stellen, daß man gezwungen ist, anzunehmen, daß sich beide sehr "nahe stehen." Es ist deshalb notwendig, das Wichtigste der Ausführungen des Redners festzulegen. Herr Geiger führte u. a. aus: Es ist nicht richtig, das kapitalistische oder sozialistische System als solches als falsch hinzustellen. In einem Land wie Nordamerika mit seinem unermeßlichen Raum und Reichtümern sei das kapitalistische System wohl möglich, es hat dort jede Lebens- und Existenzmöglichkeiten. Anders sei es in Deutschland, das Volk eng zusammengedrängt, das Land verhältnismäßig arm und dürftig. Um hier allen Bewohnern eine Lebensmöglichkeit zu geben, sei eine soziale Gliederung des Staats- und Wirtschaftslebens notwendig. In einem Land wie Deutschland sei es unmöglich, die demokratisch-liberale Leitidee durchzuführen. "Freie Bahn dem Tüchtigen" die sich immer auswirken als "freie Bahn dem wirtschaftlich Mächtigen, nicht freie Bahn dem geistig und sittlich Tüchtigen". Warum nur nationalsozial? Es seien ja schon die Sozialdemokratie, der Kommunismus da? Schon der Name Sozialdemokratie sei eine Unmöglichkeit: "Wenn ich sozial bin, stelle ich die lebensrechte und Lebensnotwendigkeit der Gemeinschaft vor die des einzelnen, wenn ich demokratisch bin stelle ich das Lebensrecht des einzelnen vor die Gemeinschaft". (heute: freie Bahn dem Geldsack!) Praktisch sei die Sozialdemokratie immer demokratisch gewesen, nie aber sozial oder sozialistisch. Den Kommunismus habe er, der Redner, am eigenen Leib erfahren. Dadurch, daß in Rußland das Land wieder als Eigentum belassen wurde, daß wieder Hausbesitz, daß wieder Privatunternehmungen ermöglicht wurden, habe gezeigt, daß die Lehre von Marx unmöglich sei. Beide Parteien betonen die Internationalität des Standes vor der Gemeinschaft der Volksgenossen. Die letzten Jahre hatten aber gezeigt, daß es die nicht gibt. Da die beiden sozialen Parteien versagt hätten, eine soziale Gliederung und Aufbau der Wirtschaft durchzuführen, die allen Ständen des Volkes zukommt, seit der Nationalismus notwendig. Richtsätze des Nationalismus seien: Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Es kann sich nicht ein einzelner, ein einzelner Stand eine Lebensmöglichkeit sichern, wenn nicht für das gesamte Volk als Gemeinschaft eine Existenzmöglichkeit da ist.
An der Tatsache, daß das große und reiche Rußland Hungersnöte, Elend hatte bezw. hat, daß das früher arme Italien mit seinen früheren großen Auswanderungsziffern diese heute nicht mehr hat, sondern Freiheit, Arbeit und Brot, beweise, daß das Staatssystem ausschlaggebend sei. Ein für das deutsche schaffende Volk notwendiges national und sozial gegliedertes Staatssystem zu schaffen, sei Ziel der Nationalsozialisten.
Dann beleuchtete der Redner noch die ersten vier Punkte unseres Programms. Bei der Feststellung, daß ein nationalsozialistischer Staat nur der Volksgenosse Staatsbürger sein kann, das heißt, daß die Juden unter ein besonderes Gastrecht gestellt werden, kam die anwesende Judenschaft in Harnisch. Aus dieser "Aufregung" entsprangen auch die Ausführungen des Debattenredners und Berichterstatters, der wohl ein und derselbe ist.
Nun noch einige Richtigstellungen.
1) Es ist unehrlich, wenn man die Nationalsozialisten herabwürdigen will mit der Feststellung, der Redner sei ein Deutschrusse, der gegen Deutschland gekämpft habe. Er teilte hier nur das Schicksal von 10.000 von Deutsch-Russen. Nebenbei hat Herr Dr. Geiger auch festgestellt, daß er nach dem Frieden mit Rußland sofort ins deutsche Heer eingetreten sei. Aber eine Frage. Haben die polnischen russischen Juden nicht auch gegen Deutschland gekämpft? Oder was werden in einem vielleicht kommenden Krieg mit Polen und der Tschechei die Besitzer der mitteldeutschen und tschechischen Braunkohlegruben, die 3 Brüder Rotschek machen, von denen einer polnischer, einer tschechischer, der dritte deutscher Staatsangehöriger ist?
2) Die Nationalsozialisten hätten den Ruhrkrieg gewollt! Adolf Hitler hat am ersten Tag des passiven Widerstands erklärt, dieser passive Widerstand sei ein Irrtum, ein Verbrechen, wenn schon ein Widerstand geleistet wird, kann er nur einen Erfolg versprechen wenn er auch mit nicht pazifistischen Mitteln geführt wird.
3) Aus dem Bericht könnte man entnehmen, daß die Juden in Deutschland schon 2000 Jahre Staatsbürger seien, gleichberechtigt wären. Tatsache ist, daß sie bis Anfang und Mitte des letzten Jahrhunderts unter einem Ausnahmerecht standen.
4) Wir würden uns überall undemokratische Mittel erlauben! Wir geben gern zu, daß es feinere "demokratische Methoden" sind, die die Deutsche Volkspartei z. B. anwendet, indem sie sich die Aktionäre der Münchner "Neuesten Nachrichten" und anderer Zeitungen zu sichern bemüht, um über diese Zeitungen dann die Stimme des Volkes zu formen, zu gewinnen, als wenn die Nationalsozialisten versuchen, in öffentlicher Versammlung eine freie Aussprache zu erzwingen. Immer ruhig weiter unken, der "tote" Nationalsozialismus marschiert.
Fr. Schmidt

Vaterlandsfreund, 5..5. 1928