( ) Niederstetten, 20. Dez. Am letzten Sonntag hielt hier der Landwirtschaftliche Bezirksverein im Löwensaale eine Versammlung ab. Der Besuch ließ zu wünschen übrig und wäre in Hinsicht auf die Wichtigkeit der Vorträge ein besserer Besuch erwünscht gewesen. Wegen Verhinderung des Vorstandes Herrn Herrmann-Blaufelden eröffnete und begrüßte Herr Stadtschultheiß Schroth die Versammlung. Besonders in beiden Rednern, Herrn Oekonomierat Mährlen-Weinsberg und Herrn Oekonomierat Wöhrle-Gerabronn widmete Herr Stadtschultheiß Schroth freundliche Worte der Begrüßung. Herr Oekonomierat Mährlen sprach über die Fortschritte im Weinbau. Er ging von der Sortenfrage aus und betonte, daß glücklicherweise unser Vorbachtal und Taubertal von der Reblaus verschont geblieben sind. Durch das Auftreten der Reblaus im Kochertal und im nahen Bayern sei aber unser Gebiet fast vom Reblausgebiet eingeschlossen. Der Vortrag zerfiel in zwei Teile. In dem ersten Teil: "Neuzeitliches" behandelte der Referent die Zuckerung der Weine, die Aenderung des Weingesetzes, die Umstellung der Geschmacksrichtung und die Bereitung des alkoholfreien Traubensaftes. In der Folge gab Herr Oekonomierat Mährlen einen Überblick über den Weinbau in Amerika, besonders in Chile. In dem Teil "Fortschrittliches im Weinbau" legte er in eingehenden, aus tiefgründiger praktischer Erfahrung sprechenden Worten die Verbesserung der Rebsorten durch züchterische Auswahl (Rebenselektion) dar. In der Bearbeitung der Bodenflächen seien Fortschritte durch Motorseilwinden zur Beförderung der Erde und Bodenfräsen zu verzeichnen. In der Düngung machte der Redner auf die ungünstige Wirkung nicht richtig angewendeten Kunstdüngers aufmerksam und erklärte den Stallmist als unbedingt notwendig. Für die Schädlingsbekämpfung seien Kupferkalkbrühe und Nosperasen besonders empfehlenswert. Seit diesem Jahr mache sich eine neue Krankheit, die "Kräuselkrankheit" bemerkbar. Zur Abwehr der Frostgefahr sei die Räucherung anzuraten, bei welcher es keine Versagungsmöglichkeit gebe. Eine bessere Behandlung des Weines nach der Ernte sei notwendig und so sei die genossenschaftliche Verwertung unumgänglich. Anschließend an diesen Vortrag begann Herr Oekonomierat Hege seinen Lichtbildervortrag über die Wirkung der Düngung und Einflüsse der Witterung im vergangenen Jahr. Er zeigte an der Hand von ihm selbst aufgenommenen Lichtbildern, die von ihm durchgeführten Grund- und Zeitdüngungsversuche und besonders welchen Einfluß die Witterung auf die Entwicklung der Saat und die Bergung der Ernte gehabt habe. Durch die Bilder kam anschaulich zum Ausdruck, wie die einzelnen Einflüsse sich sowohl im Bestand der Frucht als auch im Ereignis sich auswirken und wie besonders auf nassen Böden die Drainage ganz besonders günstige Wirkung mit sich bringt. Die Ausführungen des Herren Oekonomierats Hege zeigten von großer eigener Erfahrung und weitgefaßter theoretischer und praktischer Pünktlichkeit. Herr Oekonomierat Hege kam dann noch darauf zu sprechen, daß für die Zukunft eine zweckmäßigere Einteilung des Grundbesitzes, so wie letzten Endes eine Zusammenlegung desselben zur rationellen Bewirtschaftung nötig sei. Herr Stadtschultheiß Schroth dankte den beiden Herren Referenten namens der anwesenden und namens des Bezirksvereins herzlich für ihre hochinteressanten Ausführungen und schloß hierauf die Versammlung.

Vaterlandsfreund, 22. 12. 1927