( ) Niederstetten, 11. Sept. [Okt.] Ein schönes Fest feierte am Sonntag die Stadt Niederstetten, ein Herbstfest. Eine freundliche Herbstsonne vergoldete Stadt und Land mit ihren Strahlen – eine gute, wenn auch mühevolle Ernte, in den Scheunen – reifende Trauben auf den Bergen – vervollkommneten die dankbare Stimmung, welche einem Herbstfest das Gepräge geben soll. Dieses Gepräge trug auch der Festzug. Unsere Kleinen und Kleinsten gaben des Bild der vier Jahreszeiten. In schmucken, besonders angefertigten Gewändern, mit den Emblemen des Lenzes, des Sommers, des Herbstes und des Winters – mit Blumen und Erzeugnissen des Landes – mit Nikolaus dem Gefürchteten am Schlusse boten diese Gruppen einen überaus lieblichen Anblick dar. Die Stadtkapelle führte den Zug. Eine reizvolle Gruppe des Zuges bildeten auch die Winzer in ihrer malerischen Pracht. Daran schlossen sich die Stadtvertretungen und alle Vereine. Ganz besonders zahlreich beteiligten sich auch die Mitglieder des landwirtschaftlichen Hausfrauenvereins. Durch die reich beflaggten Straßen bewegte sich der Zug zu dem Festplatz, dem städtischen Sportplatz. In kurzen, kernigen Worten begrüßte dort Stadtschultheiß Schroth die Teilnehmer des Festes. denn der ursprünglich angenommene Rahmen eines lokalen Festes war weit überschritten und von Fern und Nah waren viele Fremde gekommen, um an dem Fest sich zu vergnügen. Auf dem Festplatz entwickelte sich bald ein reges Leben und Treiben. Handball: Gerabronn und Niederstetten maßen ihre Kräfte in einem schönen, fairen Spiel. Das Resultat für Gerabronn 3 : 2. Die verschiedenen Abteilungen des Turnvereins gaben an den Geräten und den Freiübungen gute Leistungen. Besonders gefielen die graziösen rhythmischen Übungen der weiblichen Turnerinnen. Der Schützenverein hatte eine vielbesuchte Schießbude eingerichtet. Auch für Erfrischungen war bestens gesorgt. Der landwirtschaftliche Hausfrauenverein bot in seinem Kaffee Zelt Kaffee und Gebäck in bewährter Güte und im Weinzelt wurde guter Vorbachtäler verzapft. Den Glanzpunkt des Tages bildete der Winzertanz. Die wechselvollen Tanzbilder wurden mit natürlicher Grazie und großer Pünktlichkeit durchgeführt. Vom ersten bis zum letzten Schritt zeigten sich Tänzer und Tänzerinnen frisch und munter und die Zuschauer wurden durch die Anmut des Tanzes und die rasche Folge der reigenartigen, historischen Tänze bis zum letzten Takt in Spannung gehalten. Auch die Musik unterstützte den Tanz durch flottes Spiel. Den Abschluß des Festes bildete ein glanzvolles Feuerwerk. Abends war Ball in der Turnhalle. Das Fest war im eigentlichen Sinne ein echtes, rechtes Bürgerfest, welches auch die Einigkeit unserer Einwohnerschaft verkörperte. Das Fest soll alle Jahre gefeiert werden. Mögen gute Ernten und guter Wein immer die Veranlassung dazu geben. – Ein kleines Nachwort. Eine Gruppe des Festzuges galt unserem neu ins Leben gerufenen Wochenmarkt. Leider ist die Beteiligung seitens der benachbarten Landwirtschaft noch sehr gering. Unsere Hausfrauen bemühen sich jeden Montag zum Marktplatz, um Butter, Eier, Gemüse, Kartoffel, Junghahnen und alte Hühner zu kaufen – aber meistens vergebens. Mögen doch die Landfrauen die vielen Fahrgelegenheiten zum Schweinemarkt, welcher gleichzeitig stattfindet, benützen, um ihre Erzeugnisse hierher zu bringen und zu verkaufen. Es wird nicht an Abnehmern fehlen und der Wochenmarkt wird ein weiteres Band sein, um unsere umliegenden Ortschaften mit unserer Stadt zu verbinden.

Vaterlandsfreund, 12. 10. 1927