( ) Niederstetten, 24. Juli. Eine Ehrung von besonders großem Ausmaße bereitete gestern unsere Stadt ihrem wiedergewählten Stadtvorstand, Herrn Stadtschultheiß Schroth. Nach dem Dunkelwerden bewegte sich ein Fackelzug der Stadtkapelle, der Vereine und des Gemeinderats vor das Haus des Herrn Stadtschultheißen. Die vielen hunderte von Fackeln boten einen überwältigenden Anblick. Der Männergesangverein sang einige schöne Lieder, die Mädchen- und Damenriege des Turnvereins führte nach den Klängen des Musikvereins liebliche Reigen auf und die Stadtkapelle spielte flotte Märsche. Herr Bezirksnotar Klein schilderte die Verdienste des Neugewählten um die Verwaltung und die öffentlichen Arbeiten in unserer Stadt, worauf Herr Stadtschultheiß Schroth überrascht und gerührt durch den Glanz der Ovation seinen Dank zum Ausdruck brachte. – In der festlich erleuchteten Turnhalle fand hierauf ein glänzendes Bankett unter Teilnahme wohl der gesamten Bürgerschaft statt. Den Reigen der Redner eröffnete Herr Bezirksnotar Klein mit einer Begrüßung der Erschienenen. Herr Gemeinderat Kiesecker verglich das Fest mit einem familienfest, denn eine Gemeinde sei eine große Familie. Er betonte, wie leicht und fortschrittlich das Zusammenarbeiten des Gemeinderates mit Herrn Schroth sich gestaltet habe und wie Herr Schroth jederzeit allen seinen Bürgern mit Rat und Tat zur Seite stehe. Herr Stadtpfarrer Hahn sprach für die evang. Kirchengemeinde. Herr Stadtschultheiß Schroth habe sich immer als bekenntnistreues Mitglied der evang. Kirchengemeinde erwiesen. Im Kirchengemeinderat habe er sich segensreich betätigt und so mögen er und seine Familie den Segen Gottes an sich erfahren. Namens sämtlicher Schulen und deren Lehrer dankte Herr Oberlehrer Wahl dem Gefeierten für die eifrige Förderung, welche sich jedes Schulwerk durch ihn erfreuen durfte. Ein Schulhausneubau möge dieses Werk krönen. Für den Landw. Hausfrauenverein trugen zwei junge Damen (Frl. Ziegler u. Frl. Schmidt) ein von Frau Eyßer verfaßtes poetisches Zwiegespräch vor, in welchem Herrn und Frau Stadtschultheiß Schroth für ihre Tätigkeit im Verein gedankt und dessen Freude über die Neuwahl Ausdruck verliehen war. Herr Max Stern überbrachte die Glückwünsche der israelitischen Gemeinde. Der Friede sei eines der höchsten ethischen Güter und Herr Stadtschultheiß Schroth habe in öffentlicher und privater Wirksamkeit stets für den konfessionellen Frieden geworden. Herr Rentamtmann Sander überbrachte Grüße und Glückwünsche der Kollegen vom Eßlinger Verbandstag. Herr Ingenieur Rösler-Mergentheim dankte dem weitausschauenden Vorsitzenden des Ueberlandwerkes Ingelfingen-Hohebach. Herr Fexer sowie ein Schüler (Bruno Stern) brachten launige Gedichte eines Lokalpoeten zum Vortrag, welche das Wirken des Herrn Stadtschultheißen Schroth anschaulich schilderten. Der Kranz der Reden wurde durch zahlreiche Darbietungen unterbrochen. Die städtische Musikkapelle und der Musikverein ließen künstlerisch vorgetragene Weisen hören, der Männergesangverein unter Leitung des Herrn Lehrers Schaffert sang melodische Chöre. Ganz besonders auch der Turnverein hatte sich für den Abend gerüstet. Eine Huldigung Vater Jahn's, Reigen der Damenriege, lebende Darstellung aller turnerischen Zweige waren seine Programmnummern. Das Publikum war außerordentlich beifallsfreudig, wie denn überhaupt die Stimmung die allerbeste war. In seiner Dankrede dankte Herr Stadtschultheiß Schroth einzeln allen Rednern, Dichtern, Sängern, Turnern, kurz allen, welche zum Gelingen des Abends und damit zu seiner Ehrung beitrugen. Als er sich vor zehn Jahren entschloß, hier zu kandidieren, habe er es getan, weil er schon manchen Vertrauens sich hier erfreuen durfte. Er freue sich, daß dieses Vertrauen während seiner Amtszeit nicht verloren gegangen sondern gewachsen sei. Viele Arbeiten konnte er dank dieses Vertrauens seitens der Bürgerschaft und des Gemeinderats durchführen und er erbitte sich diese Unterstützung auch für seine fernerer Amtszeit. –Wir unterlassen es, hier die Tätigkeit des Herrn Stadtschultheiß Schroth im einzelnen zu würdigen und setzen stattdessen die von Herrn Fexer meisterhaft vorgetragenen Verse eines Lokaldichters an diese Stelle (sie dürften auch auf andere Orte zutreffen):

Wenn irgendwo und irgendwann
Ein Schultheiß etwas unternimmt,
Und hilft noch der Gemeinderat
Ist die Gemeinde leicht verstimmt.
Doch kostet Geld die Sache gar,
So fürchtet jeder für die Stadt
Besonders wenn sie viel an Wert
Von Alters im Besitze hat.
Dann hört man rings im Städtchen bald,
Der Rehhof – der Gemeindewald –
Die werden jetzt verkaufet.

So ging, kaum war der Krieg vorbei,
Ein Schaffen und ein Bauen an.
Zwei Häuser wuchsen stolz empor
Und Raum für andere schloß sich an.
Den Kopf da schüttelt, wer dies sah.
Wie bauet man in solcher Zeit,
Der Stadtschulz und Gemeinderat,
Die sind wohl alle nicht gescheidt?"
Und raunen hört man gar bald –
Der Rehhof – der Gemeindewald –
Die müssen jetzt dran glauben.

Viel hundert Hände rührten sich
Und zogen Gräben durch die Stadt.
Man legte schwarze Rohre ein,
Wie mancher doch geschimpft dort hat!
Die Wasser pumpt man auf den Berg
Und hat so gute Brunnen doch,
Die Sache kostet täglich mehr,
Wer kann die Steuern zahlen noch?
Die Stadt zu Grund geht mit Gewalt –
Der Rehhof – der Gemeindewald –
Wer wird sie nun besitzen?

Das Rathaus steht vierhundert Jahr
Und sein Gesicht ist alt und grau.
Jetzt wagt sich die Verschwendungssucht
Sogar an den ehrwürdigen Bau.
Vierhundert Jahre schön genug,
Wird es jetzt es auf den Kopf gestellt,
Gemalt, verputzt, gezieret gar,
So gibt bei uns man aus das Geld.
Kein Wunder, wenns im Städtchen schallt
Der Rehhof – der Gemeindewald –
Die werden jetzt verputzet.

Der Bach fließt ruhig seine Bahn
Und schlingt durch grüne Ufer sich,
Nur wenn der Schnee urplötzlich schmilzt,
Dann wird er wild und fürchterlich.
Jetzt wird der Bach gar korrigiert,
Ein Modeseebad wird daraus,
Die Steuer immer weiter steigt,
Gibt man so leicht die Gelder aus.
Da schimpft man laut – auch leise bald –
Der Rehhof – der Gemeindewald –
Auf Nimmerwiederhaben.

Nein – anders kam's! – Es war umsonst
Der Nörgler eifrig Regen
Die Häuser wurden aufgebaut,
Das Wasser ist uns Segen.
Das Rathaus steht in neuer Pracht,
Das Bad wird uns erquicken,
Wenn wir nach heißer Tagesmüh
Uns zur Erholung schicken.
Wahr ist es, und wahr bleibt es halt –
Der Rehhof – der Gemeindewald –
Die werden nie verkaufet.

So möge unserer Stadtschultheiß
Noch vieles uns gestalten.
Ob Schulhaus oder Krankenhaus,
Wir wollen zu ihm halten.
Vielleicht trägt manches er im Sinn,
Was heut uns noch verborgen,
Doch treu wir unterstützen ihn
Und haben keine Sorgen.
Aus jedem Bürgers Mund es schallt:
Der Rehhof – der Gemeindewald –
Die bleiben stets uns eigen.

M.St.

Vaterlandsfreund, 27. 7. 1927