( ) Niederstetten, 25 Febr. Alle Welt feiert heute das Andenken des großen Schweizer Pestalozzi. Ueber allen Entdeckungen, welche der Menschheit genützt haben, gehört sein Werk erhoben. Er hat die Seele der Armen und er hat die Seele des Kindes entdeckt. In der gestrigen Pestalozzifeier im Löwensaale, welche sehr gut besucht war, brachte uns Herr Hauptlehrer Wahl der Person und dem Werke Pestalozzis näher. Er schilderte anschaulich das Leben Pestalozzis unter den Armen. "Ich habe als Mensch unter den Armen gelebt, sagt P. selbst, um den Armen zu zeigen, daß auch Arme menschlich leben können. 18 Jahre lang hat P. unter den schwierigsten Verhältnissen in seinem Neuhof die Armen und verlassenen Kinder gepflegt und gelehrt und in Stanz hat er später dieses Werk fortgesetzt. Er hat an Stelle eines geistlosen Memorierens den Anschauungsunterricht gesetzt und hat so die Seele des Kindes dem Lehrer erschlossen. Langsam kam der Welt die Geist des Größe Pestalozzis zum Bewußtsein und seine endliche Anerkennung war ein großer Sieg. Von überall her sandten ihm Begüterte ihre Kinder und Lehrer kamen aus weiter Ferne, um von ihm zu lernen wie sie lehren sollten. Im fortgeschrittenen Lebensalter endlich bringen ihm nach jahrzehntelanger Armut auch seine gesammelten Werke einen großen Betrag und er weiß das Kapital nicht besser als zum Besten der Armen zu verwenden. Sein ganzes Leben und Wirken war Liebe. Herr Hauptlehrer Wahl schloß seinen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag mit einem Hinweis auf die Aufgaben, welche das Schulwesen in den nächsten Jahren noch unserer Stadt stellen wird. Das achte Schuljahr stehe vor der Türe, der hauswirtschaftliche Unterricht für unsere jungen Mädchen sei eine Notwendigkeit und ganz besonders die Schulhausfrage bedinge eine baldige Lösung. Herr Stadtschultheiß Schroth dankte dem Redner namens der Versammlung. Wie Pestalozzi alles durch Liebe geschaffen habe, so soll auch uns die Liebe zu allen Werken helfen. Besonders die anwesende Schuljugend ermahnte der Stadtschultheiß Schroth, sie möge ruhig die Freuden der Jugend genießen, aber in einem Maße, welche sowohl ihr selbst, als auch der Stadt zur Ehre reichen. Besonders widmete Herr Stadtschultheiß Schroth den friedlichen Zusammenleben der drei Konfessionen in unserer Stadt anerkennende Worte. Die Feier war von Vorträgen des evang. Kirchenchors und von Deklamationen der Schuljugend würdig umarmt.

Vaterlandsfreund, 27. 2. 1927