( ) Niederstetten, 16. Mai. Heute Vormittag um 11 fand die Eröffnung der Ausstellung von Arbeiten der hiesigen Gewerbeschule in der Turnhalle in Anwesenheit des Herrn Gewerbeschulrats Schlunck statt. Herr Gewerbelehrer Merckle führte das zahlreich erschienene Publikum und gab zu allen Arbeiten Erläuterungen. Die Erklärungen zeigten uns, daß der Gewerbeunterricht heute neue und sehr zweckmäßige Wege geht. Nicht mehr wie früher ist die Vorlage der Grundstein des Unterrichtes, sondern vom ersten Augenblick an wird der Schüler an seinem Beruf interessiert, er muß praktisch zeichnen, berechnen, entwerfen und erhält so eine wertvolle Ergänzung der Werkstattlehre. Er muß das Modell geometrisch erfassen und muß über die Projektionslehre hinüber lernen, das, was er schaffen will, dem Raum anzupassen. So gewinnen auch für den nichtfachmännischen Beschauer die vielen Zeichnungen Leben und Inhalt. Schlosser, Schmiede, Wagner, Schreiner, Maurer, Zimmermann, Flaschner, Maler, Schuhmacher und Schneider sind auf der Ausstellung vertreten, sogar Näherinnen und Modistinnen fehlen nicht. Ferner sind die Arbeiten eines Kurses für moderne Beiz- und Polierarbeiten ausgestellt. Alle Zuhörer des Vortrages des Herrn Gewerbelehrers Merckle haben unbedingt den Eindruck gewonnen, daß die hiesige Gewerbeschule in sehr guten Händen ist und daß ihre Lehrer den richtigen Weg gehen, um unsere heranwachsenden Gewerbetreibenden zu lebenstüchtigen Menschen zu bilden. Der Schlußakt der Gewerbeschule fand heute Nachmittag im Löwensaale statt. Herr Gewerbelehrer Merckle begrüßte die Erschienenen, worauf Herr Stadtschultheiß Schroth einen Rückblick über den Werdegang der Schule entwarf. Herr Gewerbelehrer Merckle sprach über die Art der Ausbildung der Schüler in der Gewerbeschule. Anschließend daran fand die Preisverteilung statt. Ein die Schule verlassender Schüler (Thomas) dankte den Meistern und Lehrern für ihre Mühe. Einen hochinteressanten Vortrag über Inneneinrichtung, Raumkunst und verwandte Gebiete hielt der Gewerbeschulrat Schlunck. Anhand zahlreicher Lichtbilder führte uns Herr Schlunck die Folge der Stilarten vor. Auch Entgleisungen in manchen Geschmacksrichtungen beleuchtete der Redner. Der Vortrag fand lebhaften Beifall. Herr Stadtschultheiß Schroth dankte dem Referenten und bedauerte, daß nicht mehr Frauen den Vortrag mitangehört hätten. Aus der engeren und weiteren Nachbarschaft waren viele Handwerksmeister herbeigekommen, um ihr Interesse an der Sache der Gewerbeschule zu beweisen.

Vaterlandsfreund, 19. 5. 1926