( ) Niederstetten, 2. Mai. Damit auch unsere Stadt ihren Nutzen aus der Reichsgesundheitswoche ziehe, fand gestern eine wohlgelungene und stark besuchte Veranstaltung in der Turnhalle statt. Am Nachmittag hielt Herr Oberamtsarzt Dr. Angele einen eindrucksvollen Vortrag über eine gesunde Lebensweise für unsere Schuljugend. Zahlreiche Lichtbilder veranschaulichten die vorzüglichen und leichtfaßlichen Ausführungen des Redners. Der Abend versammelte unsere Bürgerschaft in der Turnhalle. Aber wenn der Besuch auch ein sehr guter war, die Wichtigkeit der Sache wäre eines noch zahlreicheren Besuches wert gewesen. Für den abberufenen Hrn. Oberamtsarzt Dr. Angele übernahm Herr Stadtschultheiß Schroth die Leitung und begrüßte die Erschienenen. Zunächst sprach Herr Dr. med. Spatz über den Wert des Sportes und dessen Einfluß auf die Gesundheit und die Entwicklung des Körpers. Herr Dr. Spatz warnte dabei vor Übermaß und Einseitigkeit. Zur Illustrierung stellte der Turnverein alle seine Riegen zur Verfügung, welche besonders die Wirkung der modernen Freiübungen und Muskeln und Atmung zeigten. In dem zweiten Vortrag schilderte Herr Dr. Dörr die verheerende Wirkung der Tuberkulose. Er erklärte, auf wie viele Arten dieselbe Eingang in den Körper suche und finde. Ganz besonders beleuchtete Herr Dr. Dörr auch die Gefahren der Ansteckung. Eine große Serie Lichtbilder unterstützte die Ausführungen des Herrn Dr. Dörr. Herr Dr. Heller mußte wegen des Ausbleibens der Lichtbilder von seinem ursprünglich angesetzten Thema abstehen. Er behandelte dafür die ansteckenden Krankheiten im Allgemeinen und den Wert guter sanitärer Einrichtungen als Abwehr. Alle drei Vorträge fanden volles Verständnis und lebhaften Beifall. Herr Stadtschultheiß Schroth sprach den Dank der Versammlung für die Redner, für die Bezirksschwester und den Leiter des Bezirksjugendamtes aus. Er unterließ nicht darauf hinzuweisen, daß unserer Stadt in dem Bau eines Krankenhauses eine wichtige Aufgabe bevorstehe und erbat sich die Unterstützung der Einwohnerschaft. Nach den Vorträgen fand die Besichtigung einer Ausstellung für Säuglingspflege statt, zu welcher die Bezirksschwester in liebenswürdiger Weise Erläuterungen gab. Die Reichsgesundheitswoche ist vorüber – aber ihr Nutzen soll bleibend sein. Denn während die alte Medizin nur von der Heilung der Krankheiten ausging, gehen die Bestrebungen der neuen Medizin dahin, die Krankheiten zu vermeiden, ihnen durch eine gesunde Lebensweise vorzubeugen. Freilich muß jeder einzelne im Volk das Seinige dazu tun, wenn diese Bestrebungen von Erfolg sein sollen. Wir dürfen nicht mehr wie bisher unserer Gewohnheit nachleben, sondern wir müssen für unsere Gesundheit leben. So kann jeder Staatsbürger am Besten zum Neuaufbau des Staates und des Volkes helfen.

Vaterlandsfreund, 5. 5. 1926