Niederstetten, 14. Febr. Der Gemeinderat beschäftigte sich gestern in einer Dauersitzung mit dem Projekt der verlängerten Vorbachkorrektion. Herr Oberbaurat Wälde von der Straßenbauinspektion Künzelsau hielt in dankenswerter Weise einen Vortrag über das Projekt. In kurzen Zügen soll hier darauf eingegangen werden. — Nach der letzten großen Ueberschwemmung im Jahr 1895 hatte sich die dringende Notwendigkeit einer Korrektion des Vorbaches ergeben. Unter Ankauf zweier Wasserkräfte, wodurch dem Wasser freie Bahn geschaffen war, Anlegung eines Normalwasserbettes und Hochwasserbettes, Aufwerfung eines Hochwasserdammes am Hofgarten und sonstiger Arbeiten wurde die Aufgabe der Sicherung unserer Stadt vor Hochwasser glänzend gelöst. Diese Bachkorrektion wurde im Jahre 1902 ausgeführt. Die Arbeiten gingen aber nur bis zu der nordöstlichen Biegung des Vorbaches, so daß die nördlich der Stadt gelegene Kautzenmühle und die Straße nach Vorbachzimmern bei starken Niederschlägen oder Schneeschmelze zeitweise immer noch überschwemmt wurden. Diesem Uebelstand soll durch Fortführung der Bachkorrektion abgeholfen werden. Zu diesem Zwecke muß das Bachbett eine größ. Strecke weit vollständig verlegt werden, einige hundert Meter nördlich gegen Vorbachzimmern zu ist eine Straßenbrücke notwendig und ferner müssen die Anlagen des Kanals und Stauwehrs bei der Kautzenmühle bedeutende Aenderungen erfahren. Um nun die letzten kostspieligen Wehr- und Kanalbauten zu ersparen, soll mit dem Besitzer der Kautzenmühle wegen Abtretung der Wasserkraft verhandelt werden. — Die Gesamtkosten belaufen sich nach dem Voranschlag auf 87 000 Mark. Zu diesem Betrag sind vom Staat und der Korporation bedeutende Zuschüsse zu erwarten, wie auch wohl die produktive Erwerbslosenfürsorge einen größeren Beitrag leisten wird. Denn die ganze Arbeit kann nur als Notstandsarbeit gedacht werden, um zahlreichen Arbeitslosen Arbeitsmög!ichkeit zu geben. — Der Gemeinderat kam gestern noch zu keinem Beschlusse. In erster Linie soll abgewartet werden, wie weit die obengenannten Zuschüsse in der Tat gegeben werden und ob die Verhandlungen mit dem Besitzer der Kautzenmühle zu dem erwünschten Ziele führen. In zweiter Linie ist es heute ernster Erwägung würdig, wenn auch die Leistungen der Stadt mit etwa 20 000 Mark im Verhältnis zu den Gesamtkosten nicht groß sind, ob es die gegenwärtige Zeit mit den ohnedies ins ungemessene gesteigerten Steuern einer Gemeinde erlaubt, Schulden zu machen. Denn man kann die Notwendigkeit einer Arbeit einsehen u. kann bei den heutigen Zeitverhältnissen doch wünschen, daß die Ausführung der Arbeit günstigeren Zeiten vorbehalten bleiben möge. – Der Sitzung des Gemeinderats wohnte ferner Herr Oberamtsbaumeister Kellermann bei, welcher in kurzen Zügen die übliche Beteiligung der Oberamtskorporation bei Straßen- und Wasserbauten darlegte. – Herr Stadtschultheiß Schroth sprach Herrn Oberbaurat Wälde und Herrn Oberamtsbaumeister Kellermann den Dank des Gemeinderates aus.

Vaterlandsfreund, 16. 2. 1926