Z. Niederstetten, 5. Sept. Der fränkisch-hohenloheschen Bauern- und Weingärtnertag hat heute eine riesige Menge von Festgästen in unsere Feststadt gebracht. Ein lachender blauer Himmel zeigte sich, als die Schläfer bei der Tagwacht die Köpfe zu den Fenstern hinausstreckten und fluggs war dann auch die richtige Feststimmung vorhanden. Und das Wetter hat dann auch den ganzen Tag sich prächtig gehalten. Die in der Früh stattgehabte Zuchtstutenprämierung brachte ein sehr schönes Ergebnis, über der wir das nächstemal berichten. Es folgten hierauf Kinderbelustigungen auf dem Festplatz und Konzert auf dem Marktplatz. Um 12 Uhr begann die Aufstellung des Festzugs, der sich um 1 Uhr durch die Frickental-, Bahnhof- und Hauptstraße auf den Festplatz bewegte. Dieser überaus umfangreiche Festzug wird am morgigen Sonntag nochmals wiederholt und soll er bei der Schilderung derselben zu seinem Recht kommen. Auf dem Festplatz wurden die Festgäste vom Bezirksvorsitzenden des Württ. Bauern- und Weingärtnerbundes, Hrn. Gutsbesitzer Schuch-Zell, herzlich willkommen geheißen. Er dankte allen denen, die dazu beigetragen haben, unseren heutigen Bauerntag zu verschönern, ganz besonders dankte er der Stadt Niederstetten für den wirklich festlichen Empfang; besonderen Dank auch Hrn. Stadtschultheiß Schroth, der keine Mühe und Arbeit gescheut hat, um den heutigen Bauerntag zu einem wirklich großartigen zu machen. Dasselbe gelte auch Hrn. Bauernanwalt Schmidt-Rot am See. Herzlich dankte er auch allen, die mit viel Arbeit und Geschick die Festwagen so schön geschmückt und die Festspiele eingeübt haben. Denen, die sich mißliebig über unsere Bauerntage aussprechen, hielt der Redner entgegen, daß so ein Tag, der höchstens 1mal jährlich abgehalten werde, gegenüber den täglichen Vergnügungen der Städter uns Bauersleuten ein Ansporn sei zum Zusammenhalt, ein Tag, der uns stärken solle zu neuer Arbeit, zur Liebe zur Scholle und zur Heimat. Sein Hoch auf das Wohl des fränkisch-hohenloheschen Bauernstandes. wurde mit Begeisterung und Beifall aufgenommen. Herr Stadtschultheiß Schroth begrüßte die Festgäste herzlich im Namen der Stadt. Herr Rentamtmann Sander sprach im Namen der Ortsgruppe Niederstetten den Willkommensgruß und forderte die Landwirte und Weingärtner zu festem Zusammenhalt im Kampf um ihre Existenz auf. Herr Landtagsabg. Joh. Klein hielt die mit großem Beifall aufgenommene Festrede. Der heutige Bauerntag soll ein Tag sein, an dem der Landwirt die Sorgen und Mühen des Alltags vergessen solle. Der heutige Tag sei aber auch ein Volksfest im wahren Sinne des Wortes. Und an dem heutigen Tage, an dem alle Stände miteinander verbunden und einig seien, solle man sich aufs neue geloben: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, uns trennen nicht in Not und in Gefahr! Alle die jetzt tagenden Weltkonferenzen könnten der Welt den wahren Frieden nicht bringen, es seien Luftgespinste. Bei uns heiße es nun: hilf dir selbst, so hilft dir Gott!" Ein Volk von 60 Millionen könne auf die Dauer das Diktat der Feinde nicht ertragen und nur Einigkeit u. Arbeit können uns helfen. Sein Hoch auf das deutsche Volk fand begeisterte Aufnahme. Herr Stadtschultheiß Schroth dankte herzlich für die freundliche Anerkennung der Redner für die Feststadt u. sprach den Wunsch aus, der heutige Tag möge dazu dienen, daß alle Berufe einander besser verstehen lernen. Es folgte nun die Aufführung des althistorischen Winzertanzes unter der Leitung von Herrn Richard Knenlein. Dieser alte, eigenartige Winzertanz mit seinen reizvollen Figuren und Verschlingungen fand großen Beifall; es ist sehr zu begrüßen, daß dieser selten schöne Tanz alljährlich vorgeführt werden soll. Um 4 Uhr war der Beginn des Freilichttheaters "Der Herrenmüller von Sontheim". Dieses große Ritter- und Bauernstück aus dem Bauernkrieg wurde von der Ortsgruppe Adolzhausen in wahrhaft vollendeter Weise aufgeführt und machte auf die Zuschauer einen gewaltigen Eindruck. Das hinreißende Spiel, die wahrhaft meisterhafte Inszenierung auf dem idyllisch gelegenen, von großen Bäumen flankierten natürlichen Proscenium, die prächtige Abendbeleuchtung, alles das machte das Stück zu einem machtvollen Erlebnis. Der Held des Stückes, der Herrenmüller, war eine Idealgestalt. Ueberhaupt haben sämtliche Darsteller, besonders auch die Damen, ihre Rollen richtig aufgefaßt und durchgeführt. Dank der vorzüglichen Leitung des Spiels. Nach 8 Uhr fand in den Löwensälen Festbankett statt.

Vaterlandsfreund, 8. 9. 1925