Z Niederstetten, 24. April. Die Landwirtschafts- und Gewerbebank Gerabronn, Genossenschaft m. b. H. hielt am Sonntag Nachmittag im Löwensaal eine gutbesuchte Versammlung ab. Da der Vorstand des Aufsichtsrats, Herr Domänen Direkt. Mutschler-Langenburg, leider verhindert war, den Vorsitz selbst zu übernehmen, so begrüßte an seiner Stelle das Aufsichtsratsmitglied Herr Wagner-Bartenstein die zahlreichen Besucher. Der Geschäftsführer der hiesigen Filiale der Bank, Herr Willy Schuster erstattete zuerst einen kurzen Geschäftsbericht über das verschlossene Jahr. Er führte u. a. aus, daß das Jahr 1924 für die Bankleitung viel Mühe und Arbeit, Sorge und große Verantwortung mit sich brachte. Es sei zuweilen sehr schwierig gewesen, daß überall auftretende dringende Kreditbedürfnis zu befriedigen, und daß man durch den fast gänzlichen Mangel an eigenen Mitteln genötigt gewesen sei, Großbank-Kredite in Anspruch zu nehmen. Bei der heutigen Geldarmut sei eine große Hauptsache, die Neubildung von Kapital, die nur durch echten deutschen Fleiß, um den uns die ganze Welt beneide, und äußerste Sparsamkeit des ganzen Volkes erzielt werden könne. Dabei bilde aber ein großes Hindernis das immer noch vorhandene Mißtrauen weiter Kreise in die Wertbeständigkeit der heutigen Mark. Dem gegenüber habe die Reichsbank selbst ihr unbedingtes Vertrauen in die heutige Währung deutlich bewiesen durch Verzicht auf die seit Ende 1923 in ihrem Kreditverkehr bestehende Entwertungsklausel; auch sei die Golddeckung der neuen Reichsbanknote eine höhere, als in der Vorkriegszeit. Es könne also jeder sein Geld ohne Gefahr wieder zur Bank bringen, die im übrigen auch die Wertbeständigkeit der Einlagen auf Dollargrundlage garantiere. Es heiße jetzt wieder sparen, markweise sparen, was namentlich auch seitens der Jugend sehr erwünscht wäre, wozu die Heimsparkasse der Bank ganz besonders geeignet sei. Die hohen Steuern auf der einen, die Mißernte auf der andern Seite, bedeuteten besonders für die Landwirtschaft eine doppelte Belastung, kein Wunder also, wenn das Geld überall fehle. Getreu ihren alten Grundsätzen sei die Bank stets bestrebt, ihre Mitglieder mit den nötigen Krediten zu unterstützen, und wenn es ihr leider noch nicht möglich gewesen sei, die Zinsen weiter herabzusetzen, so sei der Grund lediglich in der allgemeinen großen Geldknappheit zu suchen. Trotz aller Schwierigkeiten stehe heute die Bank wieder auf fester und gesunder Grundlage. Es seien auf 31. Dezember 1924 M. 85 400.– Geschäfts-Einlagen einbezahlt gewesen und heute wären es über M. 100 000.–. Damit stehe die Gerabronner Bank (von größeren Städten abgesehen) in vorderster Reihe der Württ. Genossenschaftsbanken. Dem Reingewinn von M 15 395.– wurden M. 10 000.– für Aufwertung der alten Anteilscheine entnommen und 18% Dividende verteilt.
Anschließend an den Geschäftsbericht hielt Herr Verbandsrevisor Schuhmacher aus Stuttgart einen Vortrag über "Geld- und Kreditfragen und der Anteil der Genossenschaften am Wiederaufbau". Dieses zeitgemäße Thema fand natürlich allerseits größtes Interesse. Dank seiner großen fachmännischen Kenntnisse war es meisterhaft imstande, darzutun, wie unsere alte Währung nach und nach zusammenbrach und wie sich umgekehrt endlich wieder der Aufbau vollzog. Hinsichtlich der Stabilität der heutigen Mark machte er darauf aufmerksam, daß die Reparationszahlungen in Reichsmark geleistet werden müßten, also auch unsere Feinde das größte Interesse an deren Wertbeständigkeit hätten. Angesichts der immer noch zu hohen Zinsen warnte er vor leichtfertigem Kreditnehmen und empfahl in dieser Beziehung vorherige reifliche Ueberlegung. Den großen Vorzug der Gerabronner Bank als Genossenschaft sah er darin, daß diese und selbstverständlich auch die hiesige Filiale verpflichtet seien, alle vom Bezirk eingehenden Gelder wieder im Bezirk auszuleihen, nach außerhalb somit keine Gelder gegeben werden dürften, wohin gegen Aktien-Gesellschaften in dieser Beziehung nicht gebunden seien. Für die Sparkassen hatte er schließlich noch den Wunsch, sie möchten, anstatt Bankgeschäfte zu machen, ihr Geld wie früher wieder als Hypothekengelder ausleihen, die großen Verluste, welche Sparkassen in letzter Zeit durch Kreditgeben an zweifelhafte Schuldner erlitten haben, würden dadurch jedenfalls vermieden werden. Der Redner erntete reichen Dank für seine hochinteressanten Ausführungen. Der anwesende Herr Bezirksnotar Klein stellte dann wegen Hypotheken- bezw. Grundschuldbriefen als Sicherheit noch eine Anfrage, die ihm sowohl seitens des Herrn Direktor Landauer, als auch des Herrn Verbandsrevisors Schuhmacher eingehend beantwortet wurde. Es wird Herrn Bezirksnotar Klein voller Anerkennung gezollt werden müssen für das große Interesse, welche er diesen alle Schichten des Volkes berührenden Fragen entgegenbringt, zumal es sein Beruf mit sich bringt, diesbezügliche Ratschläge zu erteilen.

Vaterlandsfreund, 25. 4. 1925