* Niederstetten, 10. Mai. Am Sonntag, 1. Mai, lud der evang. Kirchenchor zu einer geistlichen Abendmusik ein. Diese brachte eine Anzahl von Werken für Chor oder Instrumente von J. S. Bach und seinen Zeitgenossen bezw. Vorläufern. Es bedeutet zwar kein Entgegenkommen an den vielerorts noch herrschenden Zeitgeschmack, wenn man einen Abend nur mit alter Musik ausfüllt. Aber beim Chor spürte man doch deutlich, wie er mit innerer Wärme und Begeisterung sich dieser Musik hingab, und auch die Zuhörer empfanden etwas von der Kraft und Schönheit, die in den Werken dieser alten Musik steckt. Im Mittelpunkt stand das erst im Vorjahr wieder dem Staub der Lübecker Stadtbibliothek und damit der Vergessenheit entrissene, aber neu in deutscher Fassung herausgegebene Werk Dietrich Buxtehudes: „Lobet, Christen, euren Heiland“, eine Cantate für Chor, 2 Violinstimmen und Orgelbegleitung. Statt der herben und schweren Musik, wie wir sie sonst aus jener Zeit gewohnt sind, tritt uns hier eine außerordentlich lebendige und bewegte, ja liebliche Stimmführung entgegen. die durch die beigegebene Instrumentalbegleitung zu besonderer [?] Wirkung kam. Von den übrigen Chören sei besonders genannt [?] „Hinunter ist der Sonnenstein“ von Vulgius gedacht [?]. Das E moll-Konzert von J. S. Bach wurde von zwei Violinen und Orgel unter Weglassung des letzten Allegros dargeboten. Diese Musik ist freilich schwer verständlich und findet nicht leicht den Weg zu den Herzen des Hörers. Es ist [?] das dritte Mal in kurzer Zeit, daß wir in dieser Besetzung eine musikalische Feierstunde in unserer Kirche erleben durften. Dadurch ist uns der Weg zum Verständnis dieser Musik sehr erleichtert. Der Leiter des Abends, Herr Oberlehrer Wahl, spielte u. a. Präludium und Fuge in d-m. von J. S. Bach. auf der Orgel und zeigte sich dabei als Meister auf diesem Instrument. Der Abend war durch die Zusammenarbeit einigermusikalischer Kräfte aus Niederstetten und der Nachbarschaft, und zwar die Herren Oberlehrer Wahl, Stadtpfarrer Umfrid, Hauptlehrer Hauf und Hauptlehrer Ganzenmüller möglich geworden. Möge die innere Befriedigung darüber, der Gemeinde eine solch schöne Stunde musikalischer Andacht gebracht zu haben, dem Leiter des Abends und seinen Helfern sowie den Sängern und Sängerinnen der beste Dank sein!
[Text teilweise nicht sicher lesbar]
(Vaterlandsfreund, Nr. 108, 11. 5. 1932)