Die Flurnamen der Stadt Niederstetten und deren Teilgemeinden Ermershausen und Sichertshausen.
Von Marx Stern-Niederstetten.
N = Niederstetten, E = Ermershausen, S = Sichertshausen.
Fast älter als die Gewohnheit den Straßen einen Namen zu geben, dürfte auf dem Lande der Gebrauch sein, die einzelnen Flurteile mit festen Namen zu bezeichnen. Daher kommt es auch, daß für viele Flurnamen der Ursprung im Mittelhochdeutschen zu suchen ist. Die Untersuchung der Herkunft d. Ortsnamen wird natürlich dadurch erschwert, daß viele Namen im Laufe der Jahrhunderte entweder durch Veränderung der Schreibart oder durch manche willkürliche Aenderungen, Schreibfehler und dergleichen von anderen Worten abgewandelt wurden. Aber nicht nur die Worte als solche an sich bieten viel Interessantes, es is auch recht wissenswert zu sehen auf wie vielseitige Art die Flurbenennungen entstanden sind. In der folgenden Arbeit habe ich alle Flurnamen Niederstettens samt Ermershausen und Sichertshausen gerade auf diese Vielseitigkeit untersucht. Die sprachlimen Erklärungen hat mir das Germanische Museum in Nürnberg durch gütige Vermittlung von Herrn Postdirektor Eßlinger in Nürnberg-Eibensee gütigst teils durchgesehen, überarbeitet oder von Grund auf gegeben.
1. Bezeichnungen nach der geographishen Lage: Wildenthierbacher Berg, (N), Wildenthierbacher Tal (N), Ermershäusen Tal (N), Pfitzinger Berge (N), Vorbachzimmerner Tal (N), Riedbacher Pfad (S).
2. Bezeichnung nach der Lage in der Landschaft: Hohberg, Hardt (N) (= Hochebene), Mittelberg (N), Winterberg (N) (= Westlage), Reimensteige (N) (= die Annahme, daß Reimensteige von Römersteige abstammt, ist nicht richtig, vielmehr Riemen = Riemen, schmaler Landstreifen), Berg (S), Höhe (S), Lange Wiesen (S), Seeholz (E), Talwiese (E), Mühlberg (E), Haldenholz (E) = (Haldefreie Ebene), Hohe Buche (N), Höhbaum (E).
3. Bezeichnung nach den geologischen Verhältnissen: Löschen (N) = locker, weicher Boden), Sohl (N) = (dem mittelhohdeutsden SOL, Kotlache, in der sich das Wild zu wälzen pflegt), Riet (N) = (Ried, Sumpfland), Liederäcker (E) = (Lettenboden, volkstümlicher Ausdruck Liete), Röthel (S) = (rötliches, gutes Feld), Döllen (E) = (muldenförmig vertieftes Land), Stutz (E) = (jäher Abfall). ).
4. Bezeichnung nach der Flora: Eichholz (E), Stockholz (E), Kirschäcker (E), Holzacker (E). ).
5. Bezeichnung nah der Fauna: Lämmerberg (N), Krappenrain (E) = (Krappen = Raben), Fuchsloch (S), Trieb (E), = (Schaftrieb), Sperrlohe (N) = (lohe = Wald, daher zu denken an Spör, Sperboum, = Sperber, Spierling. Die Deutung lohe = Opferflamme, ist unhaltbar.
6. Bezeichnung nach meteorologischen Verhältnissen: Regenbach (N) = (nur bei Regenfällen fließender Bach).
7. Bezeichnung nach dem Besitzer: Dunkelgrube (E), Pfaffengrube (S), Frauenäcker (E), Glanzenberg (N). Frickenwiese (N) = (ist nicht von Frigga abzuleiten, möglicherweise einem Eigennamen entstammend).
8. Bezeichnung nach architektonischen Merkmalen: In den Stäffelen (N).
9. Bezeichnung nach der Nähe von Gebäuden: Burgwiese (N) = (im Volksmund Herrenwiese, seit einigen Jahren wird diese Wiese als Jahnwiese bezeichnet). Kirchäcker (S).
10. Bezeichnung nach Beruf oder nach bestimmten Arbeiten: Kohl (E) = Die Nähe des Waldes läßt darauf schließen, daß früher Kohlenmeiler dort angelegt waren), Baindt (E) = Wiese zum Bleichen des Linnen), Röß (S) = (mittelhochdeutsch Rozze, eine Lache, in welcher Fachs gewässert wurde).
11. Bezeichnung, welche der Freude an der Natur entspringt: Schöntaler Berg (N), Paradies (N).
12. Bezeichnung aus dem Alter des Anbaues: Alter Berg (N).
13. Bezeichnung nach Volksgebräuchen: Totenweg (N) = (Gewand, durch welches die Ermershäuser ihre Toten zur Bestattung hierherbrachten), Pfingstwasen (S) = (läßt auf frühere religiöse oder volkstümliche Gebräuche schließen).
14. Bezeichnung aus der Sage: Teufelshölzle (N), Bäckenmergelsklinge (N) = (siehe die Sage in Stern, Heimatbuch der Gemeinde Niederstetten, Seite 26), Hefte (N) = Hefften, ein Hexentanzplatz der Höft, Ortschaft, Dorf, also eine sogenannte Gemeindemark. Vielleicht trifft das letztere eher zu. Das große Gebiet wurde um 1800 zwischen mehreren Gemeinden aufgeteilt).
Neben den amtlich eingetragenen Namen, tragen manche Flurteile Bezeichnungen im Volksmund. Hier soll nur ein Name angeführt werden, welcher auf einen guten Humor der Bevölkerung schließen läßt. Ein Teil des Altenbereg, welcher vorwiegend mit Reben bepflanzt ist, hat im Volksmund den Namen „Essigkrug".

Vaterlandsfreund, Nr. 302, 28. 12. 1931