Niederstetten, 7. April. Wohl als Auftakt für die möglicherweise in Bälde stattfindenden Reichstagswahlen hat am Sonntag der Bauern- und Weingärtnerbund zu einer Versammlung in den Löwensaal eingeladen. Referent war der alte Führer des Bundes, Herr Theodor Körner, Landtagsabgeordneter. Der Löwensaal war bis auf den letzten Platz besetzt. Namens des Bauern- und Weingärtnerbundes, Ortsgruppe Niederstetten, begrüßte Herr Lagerhausverwalter Glaser die Versammlung und übertrug den Vorsitz an Herrn Landtagsabgeordneten Klein. Herr Klein führte aus: In den Wirrnissen der Politik unserer Tage müssen die Bauern einem alten Bauernführer, wie es Herr Körner ist, doppelt dankbar für seine Tätigkeit sein. Auch in unserer Gegend ist das politische Leben rege und besonders die nationalsozialistische Arbeiterpartei hat um sich gegriffen. Wenn man heute den Wirrwarr der Parteien sieht, so ist es bedauerlich, daß diese Partei bemüht ist, diesen Wirrwarr zu vergrößern und daß sie gerade da eindringen wollen, wo die besten nationalen Kräfte sitzen. Sie würden besser ihre Tätigkeit unter die Sozialisten in die Städte verlegen. Sie richten nur Unheil an, denn sie sind nicht so stark und werden auch nicht so stark, daß sie ohne Umsturz und Blutvergießen den nationalsozialistischen Staat in die Wirklichkeit umsetzen könnten. Um Wiederholungen zu vermeiden, schicke ich voraus, daß in der Diskussion Herr Klein den Nationalsozialisten vorwarf, daß sie gegen ihn in ihren Versammlungen mit Unwahrheit kämpfen und daß der Referent, Herr Körner die Bauernjugend warnte, sich mit Musik und Fahnen verführen zu lassen, vom rechten Weg des Bauernbundes abzuweichen. Denn die nationalsozialistische Arbeiterpartei stimme wohl in nationalen Dingen mit der Rechten. Aber in allen Fragen der Interessen der Landwirtschaft stimme sie im Wettbewerb mit Sozialisten und Kommunisten und dies sei auch in anderen Dingen, wie Versicherungsfragen etc. der Fall. Während die Nationalsozialisten gegen den Bauernbund wegen zu großer Beamtenaufbesserung hetzen, hätten im Landtag ihre Abgeordneten dafür gestimmt und dem Bauernbund Vorwürfe gemacht, weil er ihnen nicht weit genug ging. Das Hauptreferat des Herrn Landtagsabgeordneten Körner behandelte die Frage: " der deutschen und der württembergischen Landwirtschaft". Herr Körner führte ungefähr aus:

Er sei gerne in einer Zeit hierhergekommen, wo so viele Fragen auf Antwort warten. Das Leben sei ein Kampf - auch das politische Leben. Es habe keinen Zweck, diesen Kampf aus dem Wege zu gehen, aber auch starke Worte an Biertisch haben keinen Zweck. Wie der Kampf des Landwirtes gegen das Unkraut gehe, so sei dies oft in parlamentarischen Kämpfen der Fall. Man fragt: "Mußte alles kommen, wie es gekommen ist?" u. besonders unsere Bauernjugend sieht mit Ungewißheit in die Zukunft. Wenn man die Zukunft aber verstehen will, muß man in die Vergangenheit blicken, denn nur aus Lebenserfahrung kann man lernen. Ein kurzer Rückblick: Im alten, von Bismarck geschaffenen Reichstag, war Generalfeldmarschall Moltke Abgeordneter. Er sprach wenig. Als man aber Ende der 70er Jahre vom Freihandel zum Schutzzoll überging, stand Moltke auf und sagte: Wenn wir mit unserer Ernährung von fremden Ländern abhängig werden, dann haben wir den nächsten Krieg verloren, ehe der erste Kanonenschuß fällt. So ist es auch gekommen. Der Weltkrieg ging durch unsere Umstellung zum Industriestaat und durch Verkümmerung der deutschen Landwirtschaft verloren. Die Grundlagen der Freiheit eines Staates liegen in seiner Landwirtschaft. Aus der jetzigen Lage kommen wir erst heraus, wenn man auch in den Großstädten und auch in Berlin einsieht, daß ohne eine gute Landwirtschaft kein Staat frei sein und selbständig handeln kann. Der Kampf für die Landwirtschaft ist daher der Kampf für das Bestehen eines Volkes. So hat sich denn im Reichstag die grüne Front gebildet, deren Zweck es ist, der deutschen Landwirtschaft die Existenzgrundlage zu sichern. In der Landwirtschaft geht alles langsam – ackern – säen – wachsen – ernten. Auch in der Politik ist es so und der politische Acker ist am schwersten zu bearbeiten. Wenn heute die grüne Front 100 Abgeordnete zählt, so ist das eine Minderheit, welche mit allen möglichen Mitteln für ihre Ziele bei den anderen werben muß. Man kommt da nicht ohne Kompromisse aus und man muß oft das kleinere Übel nehmen, um das größere zu verhindern. Herr Landtagsabgeordneter Körner sprach dann über die Kämpfe um die neue Steuerordnung im Landtag. Diese Ausführungen decken sich mit denen, die Herr Körner am Gerabronner Pferdemarkt gemacht hat und über die wir am 7. März schon ausführlich berichtet haben. Dann wandte sich der Redner den Kämpfen im Reichstag zu. Vor Weihnachten hat der Reichstag mit Hilfe der Sozialdemokratie die gleitenden Zölle eingeführt. Dieses System ist zu unsicher. Auch wenn man 13 M als Normalpreis für den Weizen annimmt, steht dieser Preis weit unter dem Rentabilitätspreis von 15 R.M. für 50 Kilo Weizen, denn die Kaufkraft des Geldes ist schlechter geworden. Man bekommt heute für 15 M für ein Zentner Weizen nicht viel andere Waren, als vor dem Kriege 10 oder 12 M. Der Index der Löhne ist um 150-200 Prozent gestiegen. Für 15 Zentner Kartoffel bekam man vor dem Kriege einen Anzug, heute braucht man 45 Zentner dazu. Auf dem Gebiete der Preisbildung ist dem Landwirt nur durch eine entsprechende Zollgesetzgebung zu helfen, wenn 15 M für den Zentner Weizen und 12 M für Gerste bezahlt worden wären, dann wäre manche Not, in welcher wir heute stehen, nicht so dringend geworden. Die Ueberproduktion an Zucker muß eine Einschränkung des Rübenbaues zur Folge haben. Auch auf anderen Gebieten gibt es ernste Befürchtungen. Die Ueberproduktion an Milch verursachte ein Fallen der Preise und hatte Absatzschwierigkeiten im Gefolge. Die Zollerhöhung für Butter steht nur auf dem Papier und kann erst in Kraft treten, wenn der Handelsvertrag mit Finnland aufgehoben oder geändert worden ist. Man hat den Landwirten Umstellung auf Viehzucht mit billigen ausländischen Futtermitteln empfohlen. Eine unsinnige Ueberproduktion wäre die Folge. Zudem überschwemmt zollfrei eingeführtes Gefrierfleisch Deutschland. Holland, Polen. Dänemark warten nur darauf, uns mit Schweinen zu überschütten. Die Türe muß zugemacht werden, es muß erklärt werden, wir können unseren Bedarf selbst erzeugen. Die jetzige Regierung soll nach dem Rechten sehen und dafür sorgen, daß die Zölle nicht nur auf dem Papier stehen. Wenn wir diese Förderungspolitik vom Reich verlangen, sorgen wir nicht nur für uns, sondern auch durch Hebung der Kaufkraft für den Arbeiter. Niemand kann sich mehr einschränken als der Bauer und wenn ihm das Geld fehlt, ist kein organisierter Käuferstreik (Redner ist gegen einen solchen) nötig, das ist dann aus der Not der Zeit geborener Käuferstreik. Der Sparer braucht sich heute in Deutschland vor keiner Inflation fürchten, die Aufsicht des Auslandes bewahrt ihn davor. Aber wir werden erleben, daß das Geld immer knapp und teuer sein wird. Man sucht die Kapitalbildung zu fördern. Dieser ist aber der Youngplan im Wege mit seiner durchschnittlichen Belastung von 2 Milliarden Mark im Jahre.

In einem Volke lebt man miteinander. Wenn es dem Landwirt gut geht, geht es allen anderen gut, denn die Landwirtschaft erzeugt immer neue Werte. Je unabhängiger ein Volk in seiner Ernährung vom Auslande ist, desto besser ist sein innerer Markt. In Abhängigkeit kommen wir aber, wenn wir nur die Exportindustrie fördern. Denn das Ausland will unsere Ausfuhr nicht mit Gold, sondern mit seinen landwirtschaftlichen Ueberschußprodukten bezahlen. Die Entwicklung wird dahin gehen, daß sich die Industrie in gewissen Grenzen halten muß, wenn wir keinen beschränkten Export haben. So muß man umso besser für den inneren Mark sorgen. Wir haben die Pflicht zu warnen und uns zusammenzuschließen. Wir haben dafür zu sorgen, daß wir gehört werden. Eigene Pflichterfüllung ist Voraussetzung, wenn wir Staatshilfe verlangen. Die alten Parteien verschwinden, heute schließen sich die Stände zur Wahrung ihrer Interessen zusammen. Herr Körner hat die Überzeugung, daß sich die Standesvertretungen ganz gut zusammen finden könnten. Auch im Landtag hat dies die demokratische Partei eingesehen. Wir vom Bauernbund könnten uns ganz gut mit Handwerkern und Kaufleuten unter dem Motto: "Leben und leben lassen" zusammenfinden. An der Bewegung der Zeit sehen wir, daß der Bauernstand einig sein muß, weitere Zersplitterung in Parteien und Uneinigkeit muß vermieden werden. (Hier spricht Herr Körner, wie einleitend angeführt, über die nationalsozialistische Arbeiterpartei). Wenn der Bauernstand einig ist, hat er Kraft und kann die Macht verlangen und wo keine Macht ist, ist auch kein Recht. Das empfindet auch Deutschland. Wenn wir auch viel Macht eingebüßt haben, die Zahl ist da und wenn sie einig wäre, wäre auch jetzt noch unsere Macht groß. So ist aber der Haß der Parteien untereinander größer als der Haß gegen unsere Feinde. Wir haben es in der Hand, mächtig zu sein. So sollen die Bauern einig im Bauernbund zusammenstehen. Nach der Verfassung geht die Macht vom Volke aus. Darum muß jeder seine Kräfte wirken lassen, durch Ausübung seines Wahlrechtes, um mit vereinten Kräften an der Herbeiführung bessere Zeiten zu helfen. Allerdings – über Staatshilfe und Selbsthilfe stehe die Hilfe von oben und in Not und Sorge soll Man nicht auf die Hilfe von Menschen, sondern auf die Macht des Höchsten bauen. (Starker Beifall).

Die folgende Debatte zwischen den Rednern des Bauernbundes und Herrn Beck-Wildentierbach (Nat.-Soz.-Arbeiterpartei) ist bereits am Anfang des Berichtes kurz angeführt. Einige markante Worte Herrn Körners aus dieser Diskussion sollen noch Platz finden: Nur sechs Millionen Deutsche stimmten gegen den Youngplan und wie nach dem Kriege 90 Prozent aller Deutschen Frieden um jeden Preis wollten, so haben also auch jetzt die Mehrzahl des Volkes den Youngplan gewollt. Wir dürfen jetzt nicht rückwärts, wir müssen vorwärts schauen und uns bemühen, diese schweren Bedingungen aufzuheben, aber auf dem Wege der Nat.-Soz.-Arbeiterpartei bringen wir dies nicht fertig. (Zwischenruf: Futterkrippe). Darauf erwidert Landtagsabg. Körner, dieser Zwischenruf hätte nicht fallen dürfen. Denn Herr Frick sei aus Bayern als Minister nach Thüringen geholt worden. Des Redners Partei wollen nicht revolutionieren, sondern reformieren. Reformation ist schwerer, aber sicherer als Revolution.

Nachdem auch Herr Herrmann-Blaufelden, Vorstand des Landw. Bezirksvereins Gerabronn und Herr Ehrmann-Gerabronn, Vorsitzender des Bezirkes Gerabronn des württ. Bauern- und Weingärtnerbundes, die Ausführungen des Hauptreferenten mit bei fällig aufgenommenen Reden unterstrichen hatten und Herr Landtagsabgeordneter Klein-Vorbachzimmern dem Hrn. Landtagsabgeordneten Körner den Dank der Versammlung ausgesprochen hatte, schloß Herr Klein die Versammlung.

() Niederstetten, 7. April. Am Sonntag fand im vollbesetzten Saal des Gasthauses Melber die Schlußfeier der Gewerbeschule Niederstetten und Blaufelden statt. An dem regen Besuch, den dieselbe aufzuweisen hatte, sah man, daß alle Kreise großes Interesse an dem Gewerbeschulwesen haben. Nach einem einleitenden Gedicht "Üb immer treu und Redlichkeit" eröffnete Herr Schulvorstand Striegel die Schlußfeier. Er begrüßte zunächst die Erschienenen und richtete hierauf einige ermahnende Worte an die Schüler, die nun die Gewerbeschule verlassen. Hierauf sprach er von der engen Zusammenarbeit, die zwischen Meister und Schule herrschen muß. Am Schluß seiner Rede gab Herr Schulvorstand Striegel noch den Jahresbericht für das Schuljahr 1929/30. Es besuchten in diesem Jahre 140 Schüler die beiden Schulen Niederstetten und Blaufelden. Hiervon entfallen 65 auf Niederstetten und 75 auf Blaufelden. Er erwähnte auch noch die Schwierigkeiten, die dadurch entstanden sind, daß anstatt drei nur noch zwei Lehrer an den Schulen tätig sind. In diesem Jahre verlassen 38 Schüler die beiden Schulen. Es sind dies 18 in Blaufelden, 12 in Niederstetten und 8, die zur Schneiderfachklasse gehören. Anschließend an die Rede wurden einige Gedichte vorgetragen. Ein Schüler hielt ein Referat über "Das Ausrüsten der Leinen- und Baumwollstoffe". Er erklärte in wirklich netter Weise die Arbeit, die noch nötig ist, um den gewebten Stoff verarbeitungsfähig machen. Herr Schulvorstand Striegel sprach dann einige kurze Worte über Zunftgebräuche. Ein Schüler erzählte hierauf eine witzige Geschichte in Mundart. Darnach erfolgte die Preisverteilung. Preise erhielten in der zweiten Klasse in Niederstetten: Hohl, Haag und Merz; in Blaufelden: Räderich Hermann, Gabel Karl, Friedrich Hermann und Robert Hohl. In der 3. Klasse in Niederstetten: Scheu und Blumenstock; in Blaufelden: Schmelcher, Schüttler und Mayer. In der Schneiderfachklasse erhielten einen Preis Albert Schmitt-Niederstetten und Gerhard Grabert-Bad Mergentheim. In der ersten Klasse wurden als beste belobt: Georg Dreher und Otto Schäfer. Preise wurden gestiftet von der Stadtgemeinde Niederstetten, dem Gewerbeverein Blaufelden und der Schneiderinnung der Oberämter Mergentheim und Gerabronn. Nach der Preisverteilung ergriff Herr Stadtschultheiß Schroth-Niederstetten das Wort. Er wies darauf hin, daß es zur Notwendigkeit geworden ist, den angehenden Handwerker auch theoretisch auszubilden, denn der schwere Existenzkampf zwingt den Menschen, der es zu etwas bringen will, dazu. Herr Schultheiß Waldmann-Blaufelden sprach dann noch einige kurze Worte über den Segen der Arbeit zu den Schülern. Gegen Schluß seiner Rede betonte er das gute Einvernehmen in der Gewerbeschulsache zwischen den Gemeinden Niederstetten und Blaufelden. Nun hielt Herr Ingenieur Weller einen Vortrag über den Werdegang eines Autos. An einigen sehr schönen Lichtbildern erklärte er den Anwesenden in leicht verständlicher Weise die verschiedenen Arbeitsphasen der Herstellung eines Autos. Er erklärte dabei all die technischen Vorteile des laufenden Bandes. Er zeigte dann noch die verschiedenen Autotypen. Ein besonders großes Interesse wurde seinen Ausführungen entgegengebracht. Herr Schulvorstand Striegel schloß hierauf die so schön verlaufende Schlußfeier. – Anschließend daran war eine Führung in der Ausstellung der Schneiderfachklasse in den Räumen der Gewerbeschule. Auch diese auf ein Fach spezialisierte Ausstellung hat viel für sich. Wir erkennen an Zeichnungen und Stoffen, wie der Schüler in den Geist der Arbeit eingeführt wird, er lernt den Sinn der einzelnen Kleidungsstücke kennen, er wird mit Stoff und Zutaten vertraut. Aus dem Heften ersehen wir, wie er rechnen, kalkulieren lernt, wie er unterrichtet wird und wie der einzelne Schüler die Arbeit erfaßt. Zusammenfassend zeigte die Schlußfeier der Gewerbeschule Niederstetten-Blaufelden, daß das letzte Jahr ein recht erfolgreiches Jahr der Arbeit an unserer heranwachsenden gewerblichen Jugend war. Schlußfeier und Ausstellung werden auch dazu beitragen, das Verständnis für die Schule in immer weitere Kreise zu tragen.

Der Vaterlandsfreund, Nr. 82, 8. 4. 1930