Vom Niederstettener Roßmarkt
Die Plakate für den hiesigen Roßmarkt sind hier und allerorts wieder zu sehen, ein Plakat, bei dem man sofort weiß: der Niederstettener Roßmarkt ist in Sicht. Trotz des Krieges und der damit auf verschiedenen Gebieten verbundenen Schwierigkeiten wird der Markt wieder in der üblichen Weise abgehalten werden und es wird sich auch dieses Jahr wieder zeigen, daß dieser Markt ein Bedürfnis für die hiesige Gegend ist, einmal als Gelegenheit zum Einkaufen, zum anderen als Gelegenheit, daß man alte Bekannte wieder trifft. Wie man hört, stehen für die Pferdeprämiierierung wieder wie bisher ca. 700 Mark zur Verfügung, so daß dieses Jahr für diejenigen Pferde, die keinen Preis erhalten, mit einer Auftriebsprämie zu rechnen ist. Auch die hiesigen Gastwirte werden sich wieder Mühe geben, um die auswärtigen Marktbesucher befriedigen zu können, wobei allerdings die "Marken" nicht vergessen werden dürfen.
Ueber die Geschichte des hiesigen Roßmarktes, die als etwas "bewegt" bezeichnet werden kann, erfahren wir folgendes: Bei den Viehmärkten in Niederstetten, die stark besucht wurden und im ganzen fränkisch-hohenloheschen Gebiet und darüber hinaus im nahen "badischen und bayerischen Ausland" gut bekannt waren, wurden auch Pferde gehandelt. Dieser Handel hat gezeigt, daß neben dem "Kalten Markt" in der 14 Wegstunden entfernten Stadt Ellwangen für einen weiteren Pferdemarkt noch ein Bedürfnis bestand. Den hiesigen Markt wollte man sofort im Anschluß an den Kalten Markt haben, damit die Händler keine weiteren Reisen machen müssen und die Marktbesucher, wenn ihre Bedürfnisse in Ellwangen nicht befriedigt wurden, hier in Niederstetten "aufgefangen" werden könnten. Man muß sich dazu denken, daß zu dieser Zeit noch keine Bahn von Crailsheim in Richtung Bad Mergentheim bestand.
Die Eingabe des hiesigen Stadtrates an die Kgl. Württ. Regierung des Jagstkreises wurde abgelehnt. Auch der seitens Niederstetten eingelegte "Recurs" wurde laut Dekret der Jagstkreisregierung mit folgender Begründung wiederum abgelehnt: .... daß man vonseiten des kgl. Ministeriums des Innern, da unmittelbar nach dem längst bestehenden und vielfach besuchten, sogenannten Kalten Markt zu Ellwangen, ein zweiter Markt in solcher Nähe nicht als Bedürfnis erscheint und die Vorteile, welche der in Niederstetten gewünschte Markt durch Aufhaltung eines Teils der von dem Ellwanger Markte zurückgehenden Käufer und Verkäufer möglicherweise gewähren könnte, mit den Nachteilen, dem wichtigen und wohlbegründeten Ellwanger Pferdemarkt erwachsen könnten, in keinem Verhältnis ständen, die vorliegende Bitte nicht zu berücksichtigen weiß. Dem Niederstettener Stadtrat ließ jedoch diese Marktangelegenheit keine Ruhe, es wurden immer wieder Eingaben gemacht, jedesmal fand man neue Begründungen für das Gesuch. Am 12. März 1844 schrieb die Jagstkreisregierung wieder: dem Stadtrat zu eröffnen, daß das K. Ministerium des Innern dadurch sich nicht veranlaßt finde, von seiner bereits im Rekurswege gegebenen Entscheidung abzugehen. Der hiesige Stadtrat ruht jedoch nicht. Es mußte ein weiterer Grund für die Abhaltung des Marktes gefunden werden, der auch schließlich zum Erfolg führte. Der Markt, den Niederstetten wollte, lag im Interesse der Pferdezucht. Auf Grund dieser Begründung ging die erneute Eingabe an die Landes-Gestüts-Kommission, die anscheinend der Eingabe von Niederstetten wohlwollend gegenüber stand. Mit dem Regierungsdekret vom 20. September 1845 wurde der Stadtgemeinde Niederstetten die Abhaltung eines Pferdemarktes am letzten Montag des Monats Januar genehmigt. Die Sportel betrugen 12 Gulden und 30 Kr. Der Inhalt des Dekrets war: .... und will das K. Ministerium des Innern, in Betracht, daß nach der gutachterlichen Aeußerung der Landes-Gestüts-Kommission das Vorhaben der Stadt Niederstetten durch Rücksichten auf die Pferdezucht unterstützt wird, auch daß dadurch ein anderer inländischer Pferdemarkt, insbesondere der zuvor stattfindende Markt in Ellwangen nicht erst beeinträchtigt werden kann, vielmehr dem Lande ein Teil des sonst dem Ausland sich zuwendenden Verkehrs mit Pferden sich erhalten läßt, dem angebrachten Gesuch entsprochen haben usw.
Die Niederstettener hatten nun ihren Pferdemarkt und der erste eigentliche Pferdemarkt fand am letzten Montag des Monats Januar 1846 statt. Doch bereits nach dem ersten Markt ergaben sich gewisse Schwierigkeiten, d. h. Terminnot. Denn es stellte sich heraus, daß das "ausländische" Ansbach ebenfalls am 4. Montag des Januars, nicht also am letzten Montag, einen Pferdemarkt hatte. Im Jahr 1846 machte dies Niederstetten nichts aus, weil in diesem Jahr der Monat Januar 5 Montage hatte, doch bereits im Jahr 1847 zeigte es sich, daß beide Märkte zusammen an einem Tage sich gegenseitig Konkurrenz machten. Die jungen Pferde, die auf dem Niederstettener Markt zum Verkauf kommen sollen, werden aufgekauft und auf dem Ansbacher Markt zum Verkauf angeboten. Dadurch, daß unser Markt stets mit dem Ansbacher zusammenfällt, ist nicht möglich, neben diesem alten, sowohl durch seine Pferdezucht als die Menge der zu Markt gebrachten Pferde zu konkurrieren, und würde derselbe sich von selbst auflösen. In einer Eingabe lesen wir: "Wir hegen aber das vollste Vertrauen auf unsere weise Staatsregierung, daß sie ihre Untertanen gewiß nicht zu Gunsten des Auslandes benachteiligen wird, zumal die Pferdezucht durch die vortrefflichen Anstalten unseres Landes einen vortrefflichen Ruf im Auslande hat, um desto mehr sollte ein Markt gerade an den Grenzen des Landes zu größerer Aufmunterung der Züchter, den allmöglichen Schutz erhalten. Wir kennen wohl das auf seine Märkte eifersüchtige Ellwangen, allein dieser 14 Wegstunden von uns entfernten Stadt bringt es dieserwegen keinen Schaden, weil sowohl Käufer und Verkäufer unserer Gegend den älteren und ihnen durch seine schönen Pferde bekannten Ansbacher vorziehen usw.
Die Eingabe an die Regierung des Jagstkreises wurde von dieser am 12. März 1847 abgelehnt und zwar gerade mit Rücksicht auf den Kalten Markt, der dann gerade eine Woche vor dem beantragten hiesigen stattfinden würde. Die Eingabe wurde dann in der Weise geändert, daß statt dem 3. Sonntag im Januar der Donnerstag vor dem 4. Montag im Januar beantragt wurde. Auch diese Eingabe wurde von der Regierung ohne weitere Begründung wieder abgelehnt und zwar am 14. Dezember 1847.
Der damalige Oberamtmann in Gerabronn, der zweifellos durch die Hartnäckigkeit des Niederstettener Stadtrates und die dadurch entstandenen Schreibereien verärgert war, gab zu der angeführten Ablehnung seinen "Segen" mit folgendem Begleitschreiben: mit dem Anfügen dringendster Mahnung: doch endlich von diesen Marktverrückungsgesuchen bei der Gewißheit abzustehen, daß Zeitpunktveränderungen bei keinem, und am wenigsten bei einem jungen Markt etwas nützen, und daß, wenn der dortige Roßmarkt zu Kräften kommen kann, weder Ansbach noch Ellwangen ihm schaden werden.
Am 8. September 1848 machten die hiesigen Kollegien durch die Eingabe an das Kgl. Ministerium des Innern einen erneuten Vorstoß, damit der Markt auf den Donnerstag, der dem 4. Montag im Januar vorangeht, genehmigt wird. Auch diese Eingabe wurde durch das Dekret der Regierung vom 9. Oktober 1849, mitgeteilt durch Erlaß der Jagstkreisregierung vom 13. Oktober 1848, erneut abgelehnt. Der seinerzeitige Stadtschultheiß Kohler versuchte nun einen anderen Weg. Er schrieb am 23. Oktober 1848 kann den damaligen Landesoberstallmeister, machte sich hinter den für das Oberamt zuständigen Landtagsabgeordneten, der ihm auch in zwei Briefen versicherte, alles zu tun, was möglich ist, und tatsächlich wurde dem Gesuch auf Verlegung des Marktes durch Regierungserlaß vom 30. Dezember 1848 stattgegeben und der Januarmarkt 1849 konnte bereits am Donnerstag vor dem 4. Montag abgehalten werden, da nach dem neueren oberamtlichen Bericht des Bestehen dieses bisher von dem gleichzeitigen Markt in Ansbach gedrückten Marktes von der nachgesuchten Verlegung abhängt und die letztere auch von dem Landesoberstallmeisteramt im Interesse der inländischen Pferdezucht befürwortet ist".
Im Jahr 1862 gab es wegen dem Markttermin wieder eine Unruhe. Die Stadt Rothenburg hatte nämlich die Konzession erhalten, am 3. Montag, also drei Tage vor dem hiesigen Markt, einen Pferdemarkt abzuhalten. Diese Tatsache hat den hiesigen Stadtrat bewogen, eine Eingabe zu machen, in der um die Genehmigung zur Verlegung des Marktes auf den 3. Montag im Dezember nachgesucht wird. Der Beschluß wurde am 31. Oktober 1862 gefaßt. Das Oberamt hatte bereits die Bekanntmachung im "Vaterlandsfreund" erlassen, als der Stadtschultheiß Kohler am 30. Dezember 1862 an das Oberarm schrieb: In letzter Zeit haben die von mir seit längerer Zeit geltend gemachten Bedenken gegen die Verlegung des Roßmarktes Eingang gefunden, so daß ich bitte, mit der Vorlegung des Gesuchs bis auf weiteres zuzuwarten. Bei dieser Regelung, daß der Markt am Donnerstag vor dem 4. Montag jeweils im Januar abgehalten wird, verblieb es bisher. Eine Ausnahme macht nun dieses Jahr der Markt, weil er wegen der Zuchtviehversteigerung in Blaufelden ausnahmsweise eine Woche später abgehalten werden muß.
Die Märkte nahmen übrigens immer schon eine bestimmte Wichtigkeit für sich in Anspruch. Wir werden später einmal unseren Lesern erzählen, wie umständlich und zeitraubend früher die Einführung eines weiteren Marktes war (vor ca. 180 Jahren).

Tauber-Zeitung, 26. 1. 1942

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